Klimt

Ornamentale Seelenräume eines Bohèmien

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Er ist einer der bekanntesten Maler seiner Zeit, dessen prächtige, bisweilen auch obszöne Werke längst zum Kanon der Kunst des beginnenden 20. Jahrhunderts gehören – die Rede ist von Gustav Klimt.
Ausgehend von Gustav Klimts Tod im Jahr 1918 zeichnet der Film die letzten 18 Jahre im Leben des Künstlers nach, beginnend mit dem Gewinn der Goldmedaille für sein Bild Philosophie auf der Weltausstellung von Paris im Jahr 1900. Klimt (John Malkovich), der von seiner Muse und platonischen Freundin Emilie Flöge (Veronica Ferres) begleitet wird, sieht in einem Film, der ihm zu Ehren aufgeführt wird, eine geheimnisvolle Tänzerin und ist fasziniert von der sinnlich-erotischen Ausstrahlung der Darstellerin (Saffron Burrows). Als der Maler der Dame schließlich begegnet, bleibt es nicht bei platonischer Bewunderung, doch Klimt muss schnell feststellen, dass die Schauspielerin gleich mehrere Doppelgängerinnen hat, so dass er sich nie sicher sein kann, ob er gerade die echte Frau liebt oder eine der falschen. Es beginnt ein Verwirrspiel um Wahrheit und Lüge, Kunst und Leben, Phantasie und Realität, Traum und Wirklichkeit, das wie ein Fieber von Klimt Besitz ergreift. Bald schon kann er, der Schöpfer bildnerischer Gleichnisse, nicht mehr unterscheiden, ob er es wirklich mit realen Menschen oder vielmehr mit Allegorien zu tun hat, die seinen überreizten Geist bevölkern.

Zugegeben: Bisweilen ist die Story hinter Raoúl Ruiz’ neuem Werk Klimt schwer zu fassen, zumal sich der Film herzlich wenig um eine Chronologie schert und zudem ständig zwischen verschiedenen Realitätsebenen und Zeitschichten pendelt, ohne diese Wechsel der Erzählperspektive dem Zuschauer zu verdeutlichen. Das macht es des Öfteren schwer, einzelne Szenen und Sequenzen sinnvoll einzuordnen, doch die Qualitäten von Klimt liegen woanders. Der Film ist ein Rausch in Farben, prachtvollen Interieurs und exquisiten Assoziationen, die genau die Bildwelt Gustav Klimts wiedergeben, ohne dabei allzu sehr ins Tableauhafte zu verfallen, was vor allem der Kamera zu verdanken ist, die sich in ständiger Bewegung befindet und die mehr als einmal Walzer zu tanzen scheint. Wer den Film freilich mit den Maßstäben eines Bio-Pic, also einer filmischen Biographie bewertet, wird enttäuscht sein. Denn Ruiz geht viel zu selektiv vor, betrachtet Klimts Leben lediglich ausschnitthaft und konzentriert sich stattdessen auf Dekors, die vor allem Klimts Denken und sein ästhetisches Empfinden sinnlich wahrnehmbar werden lassen. Zugleich unternimmt Klimt eine Analyse des Zeitgeistes des Fin de Siècle und beleuchtet elegant und unaufdringlich die gesellschaftlichen Strukturen der dekadenten und moribunden K.u.k-Monarchie. Kein Wunder also, wenn Raoúl Ruiz sich explizit auf Arthur Schnitzlers Novelle Der Reigen und andere Literatur aus dieser Zeit bezieht, denn der ganze Filme spiegelt genau die Atmosphäre wieder, für die Schnitzler und andere Wiener Autoren jener Epoche berühmt sind. Ein atmosphärisch dichter und sehr komplexer Film, nur schade, dass in Deutschland nicht die 130 Minuten lange Fassung, sondern eine gekürzte Version zu sehen ist; vermutlich würde sich so mancher Nebel des Verständnisses doch lichten.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/klimt