Wie Licht schmeckt

Blind und doch sehend

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Lukas (Leo Zirner) ist vierzehn Jahre alt und will endlich raus von zuhause. An seinem Geburtstag haut er ab und geht nach München, wo er endlich spüren will, wie es ist, wenn man ganz für sich alleine entscheidet. In der großen Stadt stellt sich allerdings schnell die Ernüchterung ein, denn in seiner Vorstellung war das alles ein wenig einfacher und weniger kompliziert mit der Eigenverantwortung. Lukas ordnet die Eindrücke in seinem Kopf, kommentiert für sich das Chaos und die widersprüchlichen Eindrücke und versucht so dem Ausflug einen Sinn zu geben, Doch das ist gar nicht so einfach. Dann aber begegnet der Junge der drei Jahre älteren Sonja (Anya Deubel). Das Mädchen ist zwar blind, doch mit ihr lernt Lukas, dass man keine Augen braucht, um zu sehen. Durch die Begegnung mit ihr erkennt Lukas, dass viele Dinge, die wir sehen, neben der oberflächlichen Erscheinung noch eine tiefere Ebene und Bedeutung haben, er beginnt dank Sonja hinter die Kulissen des Lebens zu schauen und entdeckt plötzlich in allem einen Sinn – auch in seinem eigenen Leben.
Selten war München in den letzten Jahren in einem Film so hell strahlend, so in südliches, gleißendes Licht getaucht wie in Maurus vom Scheidts Adaption einer Jugendromanes von Friedrich Ani. Mit leisen Zwischentönen und kleinen Beobachtungen gelingt es dem Regisseur, den äußerst ambitionierten Inhalt von Anis beinahe philosophisch anmutendem Buch kongenial in Bilder zu fassen und so zum Nachdenken anzuregen. Gerade für Jugendliche in der schwierigen Phase der Pubertät bietet Wie Licht schmeckt Anregungen, die zeigen, wie sehr ein Perspektivwechsel die Dinge plötzlich in einem anderen Licht erscheinen lässt und wie wohltuend es sein kann, die Augen geöffnet zu bekommen – auch wenn oder gerade weil es eine Blinde ist, die dieses kleine Wunder vollbringt.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/wie-licht-schmeckt