Dave Chappelle’s Block Party

Das Comeback der Community

Eine Filmkritik von Andreas Kock

Wenn ein Angestellter eine deftige Gehaltserhöhung bezieht und aus diesem Anlass eine extra große Party feiert, dann ist das grundsätzlich eine sehr anständige Geste. In diesem Sinne wollte auch der Komiker Dave Chappelle feiern und Gutes tun, als er nach einer sehr üppig bezahlten Vertragsverlängerung beim Sender „Comedy Central“ nicht nur irgendeine Sause, sondern eine „Block-Party“ anberaumte. Dass der Fernsehmann Chappelle das Ganze mit Vorbereitung und Drumherum sogleich filmen ließ, wird niemand verblüffen. Unter Federführung von Michel Gondry (Human Nature – Die Krone der Schöpfung, Vergiss mein nicht! - Eternal Sunshine of the Spotless Mind, The Science of Sleep) ist daraus eine wirklich sehenswerte Dokumentation entstanden.
Die Block Party vom 18. September 2004, in der Nachbarschaft von Bedford-Stuyvesant im New Yorker Stadtteil Brooklyn hatte es aber auch in sich. Auf der Bühne die wichtigsten Vertreter des politisch relevanten und reflektierteren HipHops: allen voran der Superstar Kanye West und die Mitglieder der Fugees, die eine erste, sehr tastende Reunion darboten. Dazu noch illustre Namen wie Mos Def, Talib Kweli, Common, Cody Chesnutt, die Bands Dead Prez und The Roots und schließlich die fabelhaften Sängerinnen Erykah Badu und Jill Scott. Heiß sollten Dave Chappelles Wunschmusiker sein und kostenlos fürs Publikum! Wenn es allerdings nicht aus der Nachbarschaft kam oder von Chappelle direkt eingeladen wurde, musste es sich ziemlich bemühen, um auf die sagenhafte Block-Party zu gelangen. Hilfreich war das Internet, wo der Neugierige zunächst auf einer bestimmten Seite einen Fragebogen ausfüllen musste, um dann an jenem besonderen Tag zu einem Treffpunkt nach Chinatown gelotst zu werden, von wo es mit dem Bus zum Konzert ging.

Das Verfahren ist von ähnlich verspielter Komplexität wie die Spielfilme von Michel Gondry, der allerdings eher wegen seiner Erfahrung als Regisseur von Musikvideos für das Projekt gewonnen wurde. Zunächst gab es aber wichtigeres als Musik. Gondry und die Kamerafrau Ellen Kuras begleiteten Chappelle bei den Vorbereitungen der Party. Ein Weg führte nach Dayton, Ohio, wo der Starkomiker angeblich immer noch wohnt. Sehr schön zeigt der Film, wie Chappelle wildfremde Leute auf der Straße zu seiner Party nach New York einlädt. Wie er einer spontanen Eingebung folgend, die Blaskapelle der lokalen Universität auffordert, am musikalischen Teil der Party mitzuwirken.

Auch das Aufspüren des Veranstaltungsortes in Brooklyn und der Besuch des angrenzenden Kindergartens, um eine Drehgenehmigung für das Dach des Gebäudes zu erhalten, wollen dokumentiert sein. Im Film wird daraus gemeinsam mit Impressionen aus dem Backstage-Bereich füllendes, erklärendes Material zwischen den Auftritten der Musiker. Chappelle führt durch das Konzert und überbrückt mit seinen Entertainerqualitäten die Wartezeiten und scheint überhaupt omnipräsent zu sein.

Dennoch ist der Film nicht nur ein weiterer Dave-Chapppelle-Film, dessen DVDs in den USA Verkaufsschlager sind. Neben Chappelles rasender Komik sind es der Charakter und Zuschnitt der Veranstaltung, die die Dokumentation so interessant erscheinen lassen. Die Block Party ist ein Beweis für die Lebendigkeit schwarzer urbaner Kultur. Für die Musik sorgt durchweg eine Band unter der Leitung des bulligen Roots-Schlagzeugers Questlove. Rivalität und Konkurrenzdenken der Künstleregos sind für den Moment suspendiert. Es überwiegen Duette, kollektives Reimen, Improvisation. Der vom Mainstream geliebte und akzeptierte Star Chappelle ist so frei zu betonen, wie wichtig ihm kritische Musiker wie Dead Prez sind, die einfach nicht vom normalen Radio gespielt werden. Auch ein Bürgerrechtsaktivist hat einen Auftritt: Fred Hampton Jr., der Sohn eines von der Polizei vor 30 Jahren erschossenen Black-Panther-Führers.

Michel Gondry rekonstruiert das Konzert auf der Basis von gerade einmal vier, eher statischen Kameras. Wird es dem ungeübten Zuschauer zu viel mit dem Sprechgesang, Geduld, das nächste Intermezzo folgt. Chappellsche Witze, Publikumsreaktionen, Probenaktivitäten, Musikerinterviews oder die Hippies aus der Nachbarschaft sorgen für Kurzweil. Gondry bringt die Zutaten in das richtige Maß, splittet hier und da schon einmal Ton und Bild, stellt aber konsequent die Montage in den Dienst des Ereignisses. Keine Markenzeichen, wie etwa wilde Experimente im Schnitt. Sowenig Gondry in einem Gondry-Film war selten und doch zeigt er einmal mehr seine Klasse.

Es bleiben die Eindrücke eines großen und doch intimen HipHop-Festivals mit ein paar tausend Zuschauern und immer wieder einsetzendem Regen. Umso mächtiger war der Geist der Veranstaltung, mit der die Rap-Community jenseits von Gangster-Klischee und kulturindustriellem Ausverkauf ein Eigenleben demonstrierte.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/dave-chappelles-block-party