Adams Äpfel (2005)

Eine brilliante Variante des ewigen Duells zwischen Gut und Böse

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Wenn Adam einen Apelkuchen backen will, benötigt er Äpfel. Das klingt zunächst zwingend logisch und wenig aufregend. Doch wenn Adam ein straffällig gewordener Neonazi ist und diese Äpfel auf einem Baum im Garten des Landpfarrers hängen, bei dem der gewalttätige Mann resozialisiert werden soll, dann befinden wir uns in der spannenden und aber-witzigen Szenerie des neuen Films vom dänischen Regisseur Anders Thomas Jensen.

Ivan (Mads Mikkelsen) ist ein Pfarrer jener fanatischen Natur, die missionarischen Eifer mit nahezu sich selbst karikierender, unbedingter Güte und grenzenlosem Verständnis für die sündhafte Welt und ihre Geschöpfe in sich vereint. Auf seinem kleinen ländlichen Anwesen hat er es sich zur Aufgabe erhoben, ehemalige Straftäter auf Bewährung zu bekehren, wobei sein Realitätssinn offensichtlich von seiner grenzenlosen Naivität verdrängt wird, mit der er allen Schwierigkeiten und jeder Provokation durch seine Schützlinge als Versuchung des Bösen begegnet, der er mit unerschütterlich milder Besessenheit standhält. Zu Gunnar (Nicolas Bro), einem Vergewaltiger mit Alkoholproblemen, und Khalid (Ali Kazim), einem notorischen Tankstellenräuber, gesellt sich schließlich höchst widerwillig der bösartige Adam (Ulrich Thomsen), ein Anhänger übelster rechter Ideologie. Auf die Frage des Pfarrers, welche Aufgabe er im Zuge seiner Resozialisierung erfüllen wolle, antwortet Adam voller Sarkasmus, einen Apfelkuchen backen zu wollen, nicht ahnend, dass der Geistliche ihn ungerührt beim Wort nehmen wird und dieses scheinbar banale Vorhaben den Neonazi selbst auf geradezu mystische Weise berühren wird. Es beginnt ein derber und nicht minder amüsanter Kampf zwischen Ivan und Adam, der nichts unversucht lässt, die Grenzen der Güte des Pfarrers auf eine immer härtere Probe zu stellen, und im Laufe des Gefechts um Gut und Böse offenbart sich, dass es im Grunde der Hirte selbst ist, der am dringendsten Hilfe benötigt. Derweil wachsen die Ereignisse in der Pfarrei zu dramatischen Turbulenzen an, und es ist ausgerechnet Adam, der sich zunehmend für das Schicksal der gestrandeten Existenzen um ihn herum verantwortlich fühlt, während das Projekt des Apfelkuchens geradezu übermächtige Bedeutung gewinnt.

Mag Adams Äpfel /Adams Aebler für die einen schlicht eine abgefahrene, irr-witzige und geniale Komödie sein, für andere hingegen eine tiefsinnige theologisch-philosophische Parabel mit hintergründigem Symbolismus und abgründigem Humor, so ist dabei unbestritten, dass der neue Film des Dänen Anders Thomas Jensen (Dänische Delikatessen) einen Höhepunkt seines inspirierten Schaffens darstellt – und diese Qualität betrifft das handwerkliche Geschick des Filmemachens ebenso wie die Installation der außergewöhnlichen Geschichte mit all ihren Handlungssträngen sowie nicht zuletzt das Spiel der aus dänischen Filmen vertrauten Darsteller-Crew.

Neben einem begeisterten Publikum in Dänemark und einigen Prämierungen wie dem dänischen Filmpreis Robert in drei Kategorien sei besonders die Auszeichnung von Adams Äpfel / Adams Aebler mit dem Kulturpreis der dänischen Pastoren erwähnt – sicherlich ein Kuriosum für eine erfolgreiche, rasante Komödie. Doch jenseits der offensichtlich religiösen Assoziationen von Adam, Äpfeln und dem ewigen Gerangel zwischen Gut und Böse lässt sich der Film durchaus auch als moderne Variation der Geschichte des biblischen Hiob verstehen, die das jüdische Vergeltungsdogma in seinen Grundfesten erschüttert.

Die beachtliche Stärke von Adams Äpfel / Adams Aebler liegt sowohl in seinen unerwarteten Wendungen, seinem mal filigranen, mal krachendem Humor wie auch in seiner aufrüttelnden Ernsthaftigkeit und der Weigerung, den gefälligen Klischees von Gut und Böse auf den Leim zu gehen – ein Film, der dazu geeignet ist, diesen Kino-Sommer zu krönen.
 

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/adams-aepfel-2005