Emmas Glück (2006)

Liebe und Tod, nah beieinander

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Es gibt Filme, die berühren einen zutiefst und schaffen es, jenen Balanceakt zwischen Freude und Trauer einzuhalten, der mittlerweile eine Seltenheit geworden ist. Emmas Glück ist eine dieser raren filmischen Perlen, die sich ohne falsches Pathos, aber mit viel Gefühl an die wirklich großen Themen des Lebens heranwagen und dabei auf ganzer Linie gewinnen.

Als Max (Jürgen Vogel), ein allein stehender Autoverkäufer, eines Tages von seinem Arzt mitgeteilt bekommt, dass er Krebs im Endstadium hat und dass ihm deswegen nur noch wenig Zeit bleibt, bricht von einem Tag auf den anderen seine Welt zusammen. Max will nur noch weg, fliehen aus diesem Albtraum, in den sich sein Leben auf einen Schlag verwandelt hat. Er, der immer treu und loyal seinem Arbeitgeber gegenüber war, vergreift sich an der Firmenkasse und klaut zu allem Überfluss auch noch den Jaguar seines Chefs und Freundes Hans (Martin Feifel). Sein Ziel: Irgendwo in den Süden, alles hinter sich lassen und die letzten Tage genießen, die ihm noch bleiben. Die rasende Fahrt in der schnellen Limousine ist aber schneller zu Ende als gedacht, Max kommt von der Straße ab, überschlägt sich mehrmals und findet sich schließlich verletzt auf einer Wiese wieder. Die gehört der jungen Schweinezüchterin Emma (Jördis Triebel), deren Hof kurz vor dem Bankrott und der Zwangsversteigerung steht.

Emma zögert nicht lange und nimmt den Verletzten, um dessen Erkrankung sie nichts weiß, erst einmal bei sich auf, um ihn gesund zu pflegen. Als sie schließlich in dem Wrack noch das entwendete Bargeld findet, sieht sie die Chance gekommen, doch noch ihren Hof zu retten. Max allerdings, der gewissenhafte Pedant und Ordnungsfanatiker, will so schnell wie möglich vom Hof verschwinden, um endlich ans Meer zu kommen. Allerdings sind ihm sowohl die Polizei als auch Hans auf den Fersen, so dass er sich widerwillig auf Emmas Hof verstecken muss. Ohne dass die beiden voneinander wissen, in welcher ausweglosen Situation sich der jeweils andere befindet, kommen sie sich langsam näher, freilich ohne es zu wollen. Doch die Zeit wird knapp, denn die Uhr läuft gegen die beiden, die sich ineinander verlieben…

Sven Taddicken ist mit seinem zweiten Langfilm nach Mein Bruder, der Vampir ein in vielerlei Hinsicht bemerkenswerter und beinahe schon sensationeller Film gelungen, der mit großer Sorgfalt und einem sagenhaften Gespür für Emotionen ein ernstes Thema nahezu leichtfüßig erzählt und in den Zuschauer in beinahe jeder Minute des Films mitzureißen versteht. Außergewöhnlich ist allein schon die Besetzung des todkranken Max mit dem vor Energie und Leben nur so strotzenden Jürgen Vogel, der zudem entgegen seinen bisherigen Rollen hier einen ordnungssüchtigen und äußerst peniblen Menschen spielen muss, doch Vogel meistert dieses Aufgabe mit Bravour und gibt eine eindrucksvolle Proben seines ganzen Schauspieltalents. Noch auffälliger ist seine weibliche Partnerin Jördi Triebel, die vom Theater kommt und mit Emmas Glück ihre erste, aber sicher nicht ihre letzte Hauptrolle in einem Kinofilm spielt. Mit umwerfender, hemdsärmeliger und in Gummistiefel gewandeter Erotik erobert sie nicht nur Max, sondern spielt sich bravourös auch ins Gedächtnis und in die Herzen der Zuschauer. Selten sah man Liebe und Tod, Lust und Schmerz, Trauer und Lebensfreude auf solch eindrucksvolle Weise in einem Film vereint wie hier.
 

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/emmas-glueck-2006