Das hässliche Entlein & ich

Hans Christian Andersens Märchen als Aninmationsfilm

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Der Vorschlag, doch einmal ein Märchen des populärsten dänischen Erzählers Hans Christian Andersen zu verfilmen, wurde seit vielen Jahren bereits einige Male an die Crew des Trickfilmstudios A. Film in Kopenhagen (Terkel in Trouble) herangetragen, allerdings ohne tatsächlich überzeugen zu können. Schließlich aber begeisterte dieser Gedanke den Regisseur Karsten Kiilerich doch noch so nachhaltig, dass er sich gemeinsam mit Michael Hegner und seinem Team der berühmten Geschichte vom hässlichen Entlein annahm, die nun bei uns in den Kinos zu sehen sein wird – und zwar sehr frei nach dem Original von Andersen.
Wer kennt es nicht, das Märchen vom hässlichen Entlein, das so ganz anders ist als das gängige Entenformat und deshalb von seinen Artgenossen von klein auf verspottet, verletzt und verstoßen wird, bis es letztlich zu seiner Identität als wunderschöner und bewunderter Schwan heranwächst – unbestritten ein ganz großer Stoff von melancholischer Tiefe und unzähligen Interpretationsmöglichkeiten.

Der Animationsfilm Das hässliche Entlein & ich / Den Grimme ælling og mig präsentiert diese Geschichte nun in einer rasanten, überwiegend heiteren Variante innerhalb einer Rahmenhandlung, die vor allem jene Aspekte aufgreift, die beim Original unerklärt bleiben, wie beispielsweise die Herkunft des Schwaneneis, das im Entenhof landet, oder beantwortet die Frage, ob das unglückselige Tierchen auch Freunde hatte. Dabei ist es der unfreiwillige Ziehvater des Entleins, der neben seinem Schützling im Fokus der Ereignisse steht, deren Turbulenzen von einigen belebenden Charakteren aus der Tierwelt begleitet werden. Wie mittlerweile in diesem Genre durchaus üblich übernehmen recht bekannte Comedians und versierte populäre Synchronsprecher die deutschen Stimmen der Tiere, was sicherlich zur Attraktivität der bewegten Bilder beiträgt.

Die Ratte Ratso (Rick Kavanian) ist ein verschlagener Ganove mit räudiger, Gewinn orientierter Gesinnung, der sich als Manager vermeintlicher Stars im Jahrmarktmillieu mehr schlecht als recht durchschlägt. Auf der Flucht vor einer Horde Ratten, die ihn unter Führung der energischen Phyllis (Gaby Köster) verfolgt, gerät er auf einen Bauernhof, wo die Unglücksratte prompt als Eierdieb gestellt wird – innerhalb der Entengesellschaft ein unverzeihliches Verbrechen. Um der drohenden Strafe zu entgehen, behauptet Ratso kühn, der Vater des pränatalen Entleins zu sein, ohne zu ahnen, dass Enten-Bürgermeisterin Esmeralda (Barbara Ratthey) ihn auch als solchen unnachgiebig in die Pflicht nehmen wird. So findet sich Ratso mit einem Mal als Ziehvater von Ugly (als Kind: Sandro Ianotta, als Teenager und Schwan: Wilson Gonzales Ochsenknecht) wieder, einem ausgesprochen hässlichen Baby-Erpel, dessen auffällige Abweichung von den gewöhnlichen kleinen Enten mit einiger Aufmerksamkeit und ebenso viel Spott und Hohn bedacht wird. Alle Gedanken und Versuche der Flucht helfen Ratso hier nicht weiter, und so beginnt er zunächst widerwillig, sich um den kleinen Ugly zu kümmern, der ihn sofort als Vater anerkennt. Als der gerissenen Ratte dämmert, dass sein Schützling in seiner tolpatschigen Unansehnlichkeit durchaus eine neue Attraktion auf dem Jahrmarkt darstellen könnte, begibt er sich mit seinem Entlein auf den Weg in die Stadt – eine Reise, auf der dem ungleichen Gespann einige Hindernisse und Abenteuer begegnen, die Ugly mit dem Gänsemädchen Jessie (Sarah Kim Gries) eine wunderbare Freundschaft beschert und die schleichend dazu führt, dass sich eine echte Annäherung zwischen Rattenvater und Entensohn ereignet. Doch die Rattenbande ist ihnen nach wie vor dicht auf den Fersen, und auf dem Jahrmarkt, wo Ratso nach seinem Vetter Ernie (Till Hoheneder) Ausschau hält, reiht sich auch eine Katastrophe an die nächste, bis es erneut auf dem Bauernhof zum großen Finale kommt ...

Zweifellos ist Das hässliche Entlein & ich / Den Grimme ælling og mig ein sorgfältig geplanter und ausgeführter Animationsfilm auf der Basis einer starken Geschichte mit liebevollen und äußerst amüsanten Details. Gaby Köster verleiht der Figur der Phyllis in charmantem Kölsch einen ganz besonderen Charakter, Ugly als Teenager brilliert mit parodistischen, altersgemäßen Schnodderigkeiten und der gute alte Rolling-Stones-Song Beast of Burden unterstreicht ganz reizend die harmlose Monsterhaftigkeit des verspotteten Entleins. Jacob Groth, der für die musikalische Untermalung verantwortlich zeichnet, verzichtet bewusst auf die für dieses Genre sehr häufig übliche Orchestrierung und lehnt seine ungewöhnlichen Tonfolgen an die Klänge der Rockmusik und deren typischer Intrumentierung, beispielsweise der E-Gitarre, an, was zusammen mit den eingebauten Songs eine lebhafte Filmmusik kreiert, die nichtsdestotrotz eine emotional bewegende Atmosphäre schafft.

Auch wenn sich die filmische Umsetzung der Geschichte ab und zu ein wenig holprig gestaltet und der Trickfilm an Perfektionen à la Hollywood nicht heranreicht, ist die Idee der Rahmenhandlung mit einer zusätzlichen Hauptfigur um die Essenz des Märchens von Andersen innovativ und ihre Ausformung sehr gelungen. Das hässliche Entlein & ich / Den Grimme ælling og mig wartet mit coolen Wortgefechten sowie warmer Komik auf, unterhält mit dichter Handlung und besticht durch seine vielfältigen, ausgereiften Charaktere – ein leichtes Vergnügen für die Gattung Familie.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/das-haessliche-entlein-ich