Das Parfum - Die Geschichte eines Mörders (2006)

Geruchskino

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

„Unsere Sprache taugt nicht zur Beschreibung der riechbaren Welt“, heißt es in Das Parfum. Die Geschichte eines Mörders – einem Roman, der sich jedoch genau das zum Ziel gesetzt hat und darin auch durchaus erfolgreich ist. Das 1985 veröffentlichte Werk des deutschen Schriftstellers (und Drehbuchautors) Patrick Süskind zählt mit Übersetzungen in 48 Sprachen und bis dato weltweit rund 20 Millionen verkauften Exemplaren zu den großen literarischen Hits des Landes.

Eine Verfilmung war deshalb beinahe unvermeidlich. Doch auch der Film ist gewiss nicht unbedingt ein Medium, dessen Stärke im Olfaktorischen liegt – wie etwa der mäßig überzeugende Versuch von John Waters mit der Satire Polyester (1981) bewies, die ihrem Publikum eine Geruchserfahrung mit Odorama-Rubbelkarten bescheren wollte. Tom Tykwers Leinwand-Adaption Das Parfum – Die Geschichte eines Mörders aus dem Jahre 2006 ist indes kein bemühter Smellie, der billige Tricks heranzieht, sondern ein finsteres Thriller-Drama, das es vor allem durch seine Ausstattung schafft, uns besagte riechbare Welt visuell zu vermitteln.

Im Zentrum des Plots steht Jean-Baptiste Grenouille (Ben Whishaw), eine der „genialsten und abscheulichsten Gestalten“ seiner Zeit, wie es in der Vorlage steht. Sowohl der Roman als auch dessen filmische Umsetzung schildern Grenouilles Leben vom ersten bis zum letzten Moment. Und schon der Pariser Markt im Sommer 1738, auf dem Grenouille geboren wird, ist einer jener Schauplätze, die unseren Geruchssinn allein durch das gekonnte Szenenbild und die souveräne Erfassung des Kameramanns Frank Griebe zu aktivieren verstehen. Der Gestank wird spürbar.

Nach dem Tod der Mutter (Birgit Minichmayr), einem Heimaufenthalt und der harten Arbeit in einem Gerbereibetrieb ergattert Grenouille durch seine besonderen Fähigkeiten eine Lehrstelle bei dem italienischen Parfümeur Giuseppe Baldini (Dustin Hoffman). In der Interaktion zwischen den beiden Männern widmet sich der Film, wie schon das Buch, den möglichen (und unmöglichen) Herstellungsverfahren von Parfum. Die Faszination beziehungsweise Obsession des Protagonisten für das Einfangen von Düften überträgt sich dank des intensiven Spiels des Briten Ben Whishaw auch auf uns. Dem theatererfahrenen Schauspieler gelang durch Das Parfum der internationale Durchbruch.

Die zunehmende Dämonie der Hauptfigur, die sich bereits in einem ersten „versehentlichen“ Mord an einer Mirabellenverkäuferin (Karoline Herfurth) ankündigt, fällt in Tykwers Werk hingegen weniger überzeugend aus. Wohl aus dem Bedürfnis heraus, Unterhaltungskino für das breitere Publikum zu schaffen, wird Grenouille hier deutlich gefälliger gezeichnet. Während der überaus wertende Erzähler im Roman etliche Negativattribute verwendet, um Grenouille zu charakterisieren, hat dieser in der Filmfassung zuweilen fast etwas von einem tragischen Anti-Helden, getrieben von dem Wunsch, das perfekte Parfum zu erzeugen, was wiederum weitere Frauenmorde zur Folge hat.

Im letzten Drittel wird Das Parfum vorübergehend zu einem recht konventionell anmutenden Serienkiller-Thriller, mit Antoine Richis (Alan Rickman) als Jäger und dessen Tochter Laura (Rachel Hurd-Wood) als Objekt der Begierde des Mörders. Das Finale, das zunächst mit einer Liebesorgie auf dem Marktplatz in Grasse aufwartet und dann zum Ausgangspunkt der Geschichte zurückkehrt, gehört schließlich zu den eindrücklichsten Momenten der Adaption. In Erinnerung bleiben die großen Bilder – und der ungewöhnliche Eindruck, sie nicht nur gesehen, sondern auch errochen zu haben.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/das-parfum-die-geschichte-eines-moerders-2006