Mit Herz und Hand

Charmante Hommage an eine neuseeländische Legende

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Burt Munro (Sir Anthony Hopkins) ist ein Kauz, wie er im Buche steht, ein genialischer Tüftler und echter Nachfolger Daniel Düsentriebs. Munro, der bereits die Sechzig überschritten hat und allein in dem neuseeländischen Provinznest Invercargill lebt, schert sich wenig um die Meinung seiner genervten, aber geduldigen Nachbarn, wenn er mal wieder an seiner „Indian Scout“ aus dem Baujahr 1920 herumschraubt und das Ergebnis seiner unkonventionellen Bemühungen lautstark testet. Der Kauz ist aber kein beliebiger Motorradschrauber, sondern von einem Wunsch besessen: Er will der Welt beweisen, dass seine Indian trotz ihrer knapp fünfzig Jahre auf dem Buckel immer noch das Zeug dazu hat, das schnellste Motorrad der Welt zu sein. Dumm nur, dass die Geschwindigkeitsrekorde alljährlich bei der \"Speed Week\" in Bonneville/Utah in den Vereinigten Staaten ausgetragen werden – am anderen Ende der Welt also. Doch Munro ist geduldig. Erst als sein Arzt einer schwere Herzerkrankung diagnostiziert, nimmt der Tüftler allen Mut zusammen, verpfändet sein Haus und macht sich gemeinsam mit der getreuen Indian auf den langen Weg über den Ozean.
In der Stadt der Engel gelandet begegnet Munro allerhand seltsamem Volk, das er aus seiner neuseeländischen Beschaulichkeit nicht kennt – unter anderem einem Transvestiten (Chris Williams), dem Hispano Fernando (Paul Rodriuez), dem Indianer Jake (Saginaw Grant) und der verwitweten Ada (Diane Ladd). Trotz gesundheitlicher Probleme kommt Munro wohlbehalten in Bonneville an, doch hier beginnen die Probleme erst richtig: Die Anmeldefrist für die \"Speed Week\" ist bereits seit längerem angelaufen, bei der technischen Abnahme wird die Indian als gemeingefährliches Vehikel enttarnt und selbst die Kleiderordnung der Rekordpiloten wird von Munro ad absurdum geführt. Der Tüftler aber lässt sich durch all diese Hindernisse nicht entmutigen, schließlich hat er jahrelang auf seinen großen Moment gewartet…

Roger Donaldsons Beschäftigung mit dem neuseeländischen Mythos Burt Munro geht auf eine Begegnung der beiden im Jahre 1971 zurück. Donaldson, in Australien geboren und in Neuseeland aufgewachsen, war ein junger Filmemacher, der gerade einen Dokumentarfilm mit dem Titel Offerings to the God of Speed über das eigenbrötlerische mechanische Genie aus Invercargill drehte. Seit dieser Begegnung, beziehungsweise seit dem Tod des rasenden Opas im Jahr 1978, verfolgte Donaldson den Plan, Munros fantastische und sehr eigene Geschichte als Spielfilm zu realisieren. Doch potenzielle Geldgeber und Produzenten waren von der sperrigen Lebensgeschichte des Kauzes aus \"Down Under\" nicht gerade angetan und verlangten immer wieder Änderungen des Drehbuchs, um die Geschichte für ein größeres Publikum zuzuschneiden. Donaldson aber war fest überzeugt, dass die Zeit für solche Geschichten und wartete geduldig auf den richtigen Zeitpunkt – zum Glück. Erst im Jahr 2003 war dann der große Augenblick gekommen, an dem sich Donaldson seinen Wunsch erfüllen konnte – die Verfilmung der Lebensgeschichte von Burt Munro.

Dass Roger Donaldsons Film Mit Herz und Hand / The World’s Fastest Indian berührt und überzeugt, liegt an vielen Elementen, die sich zu einem gelungen ganzen zusammenfügen. Da ist zum einen die sympathisch-schräge Geschichte, die anfangs seltsam ruhig, beinahe behäbig daherkommt und mit Munros Ankunft in den USA ein wenig ihren Rhythmus verliert, um schließlich in einem Finale Furioso zu enden, das packt und begeistert. Auch wenn das Drehbuch sich die eine oder andere Freiheit nimmt und aus dramaturgischen Zwecken manches im Leben Burt Munros gehörig rafft und zuspitzt, dient es doch stets der Geschichte und erfasst den Pioniergeist Munros auf vorzügliche Weise. Und zuletzt ist da noch Sir Anthony Hopkins, der in Mit Herz und Hand / The World’s Fastest Indian wieder einmal eine Kostprobe seiner ganzen Schauspielkunst gibt, wie man sie in den letzten Filmen ein wenig vermisst hat. Mit Herz und Hand / The World’s Fastest Indian ist die sehenswerte Biographie eines kleinen großen Mannes, großes Erzählkino für Motorradfans ebenso wie für Filmenthusiasten.

In Invercargill, dem Heimatort Munros, wurde der Film übrigens mit \"standing ovations\" gefeiert - und das nicht nur, weil der geschätzte Bürgermeister des Provinznestes einen Gastauftritt hatte. Schließlich steckt ein wenig Burt Munro, ein wenig seiner Träume, seiner Besessenheit und seines eisernen Willens, in uns allen. Zumindest wollen wir das hoffen.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/mit-herz-und-hand