Dorian Blues

Come out and find out

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Dorian Lagatos (Michael McMillan) ist ein ganz normaler Teenager aus einer Kleinstadt im Norden des Bundesstaates New York. Eines Nachts wacht er schweißgebadet auf und weiß, dass er in der Klemme steckt, der er spürt genau, dass er schwul ist. Wie soll er es seinen Eltern beibringen? Sein Vater ist stockkonservativ und autoritär und kennt auf alle Fragen und Probleme immer nur eine Antwort – seine eigene. Und seine Mutter, findet Dorian, gleicht am ehesten der Berliner Mauer: Einige konnten sie überwinden, andere schaffen es ihr Leben lang nicht. Familiären Rückhalt findet Dorian nur bei seinem Bruder Nick (Lea Coco), der so etwas wie der All-American-Boy ist, charmant, gut aussehend und hetero.
Mit Nicks Hilfe wendet sich Dorian an die entsprechenden Stellen, um sein schwieriges Coming Out zu proben, doch die erlösenden Worte wollen ihm einfach nicht über die Lippen kommen. Auch seine erste Liebesbeziehung scheitert und hinterlässt ein ungutes Gefühl. Dorian kommen Zweifel: Vielleicht ist er ja doch nicht der typische Schwule, sondern ein ganz normaler Heranwachsender, der sich in einer Phase sexueller Desorientierung befindet? Nick macht sich ans Werk und versucht seinen kleinen Bruder wieder auf Mann zu trimmen – Stimmtraining und Besuche von Striplokalen eingeschlossen. Als die Stripperin Tiffany verspricht, für ein kleines Entgelt Dorian nun zu einem richtigen Kerl zu machen, scheint Dorian um sein Coming Out herumzukommen. Doch sein Körper sendet deutliche Signale, dass es so einfach dann doch nicht ist…

Zwischen Lachen und Weinen, perfekt gesetzten Dialogen und manchmal (bewusst) amateurhaftem Look hat der Regisseur und Drehbuchautor Tennyson Bardwell seine freche Komödie Dorian Blues über die Schwierigkeiten eines Coming Out in einer typisch amerikanischen Kleinstadt angesiedelt. Unter den jungen und weitgehend unbekannten Akteuren sticht vor allem Michael McMillan in der Rolle des Dorian heraus, ein viel versprechendes Talent, das hoffentlich noch in weiteren Filmen zu sehen sein wird. Die Mischung aus ernstem Hintergrund und leichter, aber niemals oberflächlicher Herangehensweise, die den besonderen Reiz von Dorian Blues ausmacht, erntete bei zahlreichen kleineren Festivals – vor allem in den USA – begeisterte Zustimmung und konnte etliche Preise einheimsen. Wahres Independent-Kino der unbekümmerten Sorte, nicht ohne Fehler, aber mit viel Charme.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/dorian-blues