Kabhi Alvida Naa Kehna

Der unaufhaltsame Aufstieg Bollywoods

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Das Bollywood-Kino boomt wie nie zuvor. Und zwar nicht nur in Indien selbst, sondern vor allem in Europa, wo sich mittlerweile eine ständig wachsende Fangemeinde etabliert hat – eine Entwicklung, die viele selbst ernannte Filmexperten ratlos zurücklässt. Was ist nur dran aus den bunt-opulenten Filmen vom Subkontinent, die Melodram und albernen Klamauk, westliche Hipness und östliche Weisheit, Tanzeinlagen und coole Action bedenkenlos und ohne jegliche Scheu durcheinander mischen und so offensichtlich immer mehr den Nerv zahlreicher Teens und Twens treffen? Mittlerweile geht die Euphorie oder der Hype sogar so weit, dass der Kölner Filmverleih Rapid Eye Movies ein eigenes Printmagazin rund ums Bollywood-Kino veröffentlicht, was nur auf den ersten Blick ein gewagtes Manöver ist. Genauso wie der Start des neuen Film Kabhi Alvida Naa Kehna / Never Say Goodbye von Karan Johar (Kabhi Khushi Kabhi Gham / In guten wie in schweren Tagen), der in Indien alle Box-Office-Rekorde brechen konnte, und der auch in England und den USA mit großen Erfolg läuft. Allein die Besetzung mit Bollywoods Superstar Shah Rukh Khan und den Star-Aktricen Preity Zinta und Rani Mukherji garantiert ein hohes Maß an Aufmerksamkeit, denn wie echtes Starkino funktioniert, wissen die Produzenten aus Indien längst mindestens genauso gut wie ihre Kollegen aus den USA.
Dev Saran (Shah Rukh Khan) ist ein ehemaliger Fußball-Star, der in New York lebt und dessen verheißungsvolle Karriere durch einen tragischen Unfall jäh beendet wurde, während seine Frau Rhea (Preity Zinta) gerade erst auf dem Weg nach oben ist, was Dev noch mehr frustiert. Zynisch geworden, fühlt sich Dev in seiner prächtigen Villa wie ein Gefangener und nicht einmal sein eigener Sohn gerät nach seinen Wünschen, denn der spielt lieber Geige als Fußball. Devs Krise ändert sich erst dramatisch, als er per Zufall Maya (Rani Mukherji) begegnet. Denn auch die junge Frau, verheiratet mit dem PR-Manager Rishi (Abhishek Bachchan), fühlt sich in ihrer Ehe nicht mehr so richtig wohl, zumal ihr Kinderwunsch unerfüllt bleibt. Schnell wird Dev und Maya klar, dass ihre Begegnung kein Zufall ist, sondern dass sie im jeweils Anderen genau das finden, was ihnen in ihrer Ehe fehlt. Und obwohl die beiden genau wissen, dass eine Beziehung zwischen ihnen keine Zukunft haben kann, beginnen sie ein Verhältnis miteinander, das tragische Verwicklungen nach sich ziehen wird…

Großes Gefühle, eine ausgeklügelte und bisweilen reichlich vordergründige Farbdramaturgie und eine ungewohnt pessimistische Haltung gegenüber traditionellen Werten wie Liebe und Ehe zeichnen Karan Johars neuen Film Kabhi Alvida Naa Kehna / Never Say Goodbye (kurz KANK) aus, der Bollywood-Fans wieder einmal zu Begeisterungsstürmen hinreißen dürfte. Wer dem Bollywood-Kino sowieso kritisch gegenüber steht, den dürfte auch diese mehr als dreistündige Gefühlsoper nicht missionieren. Ignorieren oder abtun lässt sich der Erfolg der Filme aus Indien freilich längst nicht mehr. Es wird Zeit, die Scheuklappen und Berührungsängste abzulegen und zu untersuchen, welche Defizite des europäischen und amerikanischen Kinos die Filme aus Indien kompensieren. Vielleicht können wir ja daraus etwas lernen, was ein Teil des Publikums wirklich zu sehen verlangt, statt darüber zu lächeln.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/kabhi-alvida-naa-kehna