Play Your Own Thing - Eine Geschichte des Jazz in Europa

Mach Dein Ding!

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Julian Benedikt hat sich in der Filmszene einen Namen gemacht als einfühlsamer Dokumentarist des Jazz. Seine Filme Blue Note über das legendäre Jazz-Label und Jazz Seen über das Auge des Jazz, William Claxton, gehören zu den beeeindruckendsten Dokumentationen über eine Musikart, deren Einfluss ebenso gewaltig ist wie das Maß ihrer Unterschätzung. In seinem neuen Film Play Your Own Thing - Eine Geschichte des Jazz in Europa verfolgt Julian Benedikt nun den Weg des Jazz quer durch Europa, trifft sich mit den Protagonisten und zeichnet die Spuren nach, die der Jazz in der Alten Welt hinterlassen hat. Schon der Ansatz von Play Your Own Thing - Eine Geschichte des Jazz in Europa ist ein wahrhaft enzyklopädischer, denn Benedikt verfolgt den Einfluss des Jazz durch einen gesamten Kontinent in all seiner Vielgestaltigkeit und seinem Variantenreichtum – eine Materialfülle, die dem Thema nicht unbedingt zur besseren Verständlichkeit gereicht.
Insgesamt interviewt Julian Benedikt auf seiner Reise durch Europa 45 Musiker aus acht verschiedenen Ländern – eine Tour de Force, die jedoch des Öfteren keiner erkennbaren Logik folgt und deshalb den Film als wenig stringent erscheinen lässt. Die Reise durch die europäische Geschichte dieser Musik wird unter anderen begleitet von Jan Garbarek, Coco Schumann, Gérard Lavigny, Chris Barber, René Urtreger, Dee Dee Bridgewater, Albert Mangelsdorff, Wolfgang Dauner, Joachim Kühn, Till Brönner, Juliette Gréco, Tomasz Stanko, Georg Baselitz, Arve Hendriksen, Palle Mikkelborg und Niels-Henning Ørsted-Pedersen. Für Kenner der Szene dürfte diese versammelte Fachkompetenz allein schon Grund genug sein, den Film zu besuchen, zumal hier Albert Mangelsdorff in einem seiner letzten Interviews vor seinem Tod zu sehen ist. Die Befragten erzählen von ihren ersten Begegnungen mit dem Jazz, wie er ihr Leben prägte, ihre Denkweisen beeinflusste und ihnen so etwas wie eine neue Heimat gab. Das ist manchmal berührend, bisweilen auch etwas bizarr – wenn beispielsweise Gianluigi Trovesi den Jazz mit einer neapolitanischen Pizza vergleicht – und manchmal auch ein wenig banal, was vor allem an der Kürze der Ausschnitte und deren mangelnder Einordnung liegt. Ohne ein wirklich enormes Hintergrundwissen gehen Zusammenhänge, Einflüsse und Querverbindungen in der Vielfalt der Stimmen unter.

Etwas fragwürdig erscheint mir auch die Geschichtsschreibung des Jazz, die von der Prämisse ausgeht, dass der Jazz seinen Weg nach Europa vor allem durch die GIs am Ende des Zweiten Weltkrieges gefunden hat. Denn das ist nur die halbe Wahrheit und klammert jene Geschichte des Jazz in Europa aus, die unter anderem durch die Nazis ein jähes Ende fand. Nicht allein aus diesem Grund ist Play Your Own Thing - Eine Geschichte des Jazz in Europa, gemessen an den eigenen Ansprüchen ein eher fragmentarisches Werk, eher Dokument und Stimmensammlung als Dokumentation. Fazit: Für fortgeschrittene Jazzer mit breitem Background ein empfehlenswerter Film, für Laien und Jazz-Newbies hingegen mit wenig Erkenntnisgewinn ausgestattet.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/play-your-own-thing-eine-geschichte-des-jazz-in-europa