The House is Burning

Generation White-Trash-Kids

Eine Filmkritik von Katrin Knauth

Als puren jugendlichen Leichtsinn könnte man die wilde Zeit der Protagonisten im Teenagerdrama The House is Burning bezeichnen, würde Regisseur Holger Ernst nicht einige von ihnen auf die schiefe Bahn abdriften lassen. Ernst nimmt in seinem sehr authentisch inszenierten Debütfilm die Generation der 15 – 20-Jährigen ins Visier und gewährt uns einen Einblick in ihr von Gewalt, Drogen und Konflikten geprägtes Leben. Er zeigt uns junge Menschen, die auf der Suche nach sich selbst sind, die durch die Straßen ihrer amerikanischen Kleinstadt irrlichtern, in einer Welt in der es scheinbar nur ums Experimentieren und Improvisieren geht. Das sind junge Menschen, denen eine Fülle von Lebensmöglichkeiten zu Füßen liegt und die weit entfernt von der Idee irgendeines vernünftigen Lebensentwurfes sind.
Einen Tag lang dürfen wir an den Sünden, Intrigen und Problemen des Freundeskreises um Mike Miller (Joe Petrilla) teilhaben. Es ist der Tag vor Mikes freiwilliger Einberufung zum Kriegsdienst in den Irak. Doch dieser weltpolitische Kontext spielt in The House is Burning nur eine marginale Nebenrolle, geht es doch schließlich um den längst ausgebrochenen Kleinkrieg in seiner Heimatstadt. Was Mike als Chance für sein Leben versteht, sieht seine langjährige Freundin Val (Nicole Vicius) ganz anders. Als Soldatenbraut will sie nicht enden und lässt sich schon vor Mikes Abreise auf einen Seitensprung mit Phil (Robin Taylor) ein. Der fährt zwar voll ab auf den heimlichen Sex, doch gedanklich ist er längst mit dem Mega-Drogendeal okkupiert, für den er noch am gleichen Abend 5000 Dollar auftreiben muss. Da scheint ihm Steve (Harley Adams) mit dem Wunsch nach einer Knarre gerade recht zu kommen. Knarre gegen Cash, egal für wen der Schuss bestimmt ist. Mike scheint der einzige in dem adoleszenten Figurenensemble zu sein, der halbwegs weiß, was er in seinem Leben will und die Dinge geregelt in die Hand nimmt. Auch wenn er damit in die Fußstapfen seines Vaters tritt und seiner Mutter das Herz bricht, die den Tod ihres im Krieg gefallenen Mannes nie überwunden hat.

The House is Burning brennt im wahrsten Sinne des Wortes von seelischen und sozialen Problemen, von Missbrauch und Verhaltensstörungen. Holger Ernst erzählt flüssig, in einem angenehmen, dem Inhalt angepassten Tempo, ohne unnütze Längen. Selbst absurde Unsicherheiten wie Terrys (Julianne Michelle) nervöse Zigarette auf dem Klo vor ihrem ersten Vorstellungsgespräch, bei dem sie außer abgedroschenen Phrasen gerade mal soviel wie einen Blow Job anzubieten hat, führt er uns verblüffend realistisch vor Augen. „Es sagt einem ja niemand wie es geht, das Leben“, sagt Mikes Mutter (Melissa Leo) an einer Stelle und lässt mit einfachen Worten Ursachen erkennen, die für die Probleme der Kids verantwortlich zeichnen: Zerrüttete Elternhäuser, hilflose Mütter und gewalttätige Väter, die längst nicht mehr in der Lage sind, ihre Kinder nach gewissen Werten und Normen zu erziehen und ihnen damit eine Chance in der Gesellschaft geben. Mikes kettenrauchende, depressive Mutter die sich ein Joint nach dem nächsten dreht. Steves handgreiflicher, arbeitsloser Vater (John Diehl), der es nicht zustande bringt, seine Schulden zu tilgen. Doch während die Eltern eher hilflos sind, ist das Verhaltend der Kids skrupellos und kaltblütig.

Der Film kulminiert in der Partynacht, in der Mikes Abschied gefeiert werden soll. Doch von Feierlaune kann hier nicht die Rede sein. Schlag auf Schlag spitzt sich die Lage dramatisch zu: Raubüberfall, Verkehrsunfall, Mord, Selbstmord bestimmen die Szenerie als wenn es keinen Tag danach gebe. Ein tödlicher Mix aus bunten Pillen, hochprozentigen Alkohol, angestauten Gefühlen, Angst und Verzweiflung. The House is Burning wird thematisch von Kritikern häufig mit Ken Park oder Kids verglichen, zum Vergleich kann hier ebenso Detlef Bucks Knallhart heran gezogen werden. So wie der Film in mehreren, elegant miteinander verknüpften Handlungssträngen erzählt wird, erinnert er auch an „L.A. Crash“, der sich um das tragische Schicksal einer Handvoll unterschiedlicher Menschen in Los Angeles dreht.

Der deutsche Film hat gerade Hochkonjunktur und obwohl The House is Burning mit amerikanischer Besetzung und US-Drehort nur grenzwertig deutsch ist, kann er sich mit seinem deutschen Filmteam ruhig in die Liste der derzeit erfolgreichen deutschen Produktionen einreihen. Der Film behandelt universale Themen aus amerikanischer Sicht, die aber ebenso in Deutschland möglich sind. Holger Ernst hat selbst in den Staaten gelebt, weiß also, wovon er spricht, wenn er über dieses Milieu erzählt. Und im Gegensatz zu vielen anderen deutschen Filmen liefert er seine Figuren einem verbalen Schlagabtausch aus. Da wird nichts unterdrückt, da wird geschrieen, diskutiert, geflucht. Diese laute Wucht ist ein schönes Kontrastprogramm zum sonst so zaghaften und stillen deutschen Film.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/the-house-is-burning