Lichter der Vorstadt (2006)

Bonjour Tristesse

Eine Filmkritik von Katrin Knauth

In Lichter der Vorstadt kommt viel Trauriges zusammen: das einsame Leben in einer Großstadt, der Verrat eines geliebten Menschens, der Verlust der sozialen Existenz. Doch kein anderer wüsste diese Traurigkeit schöner zu inszenieren als der finnische Regisseur Aki Kaurismäki. Mit seinem neuen Drama Lichter der Vorstadt / Laitakaupungin Valot hat Kaurismäki seine „Trilogie der Verlierer“ beendet, die anfing mit dem Verlust der Arbeit in Wolken ziehen vorüber und weiterging mit Gedächtnisverlust in Der Mann ohne Vergangenheit. Jetzt trifft es den bescheidenen Helden namens Koistinen, dem sein trostloses Dasein wie ein Teppich unter den Füßen weggezogen wird.

Koistinen (Janne Hyytiäinen) arbeitet als Wachmann in einem Einkaufszentrum am Stadtrand von Helsinki. Mit seinen Mitmenschen spricht er kaum, trostlos ist sein Alltag, karg eingerichtet seine Wohnung. Durchs Leben scheint er sich nur zu quälen, an Zigaretten klammert er sich wie an den einzigen Freund in der Not. Seine Kollegen verachten ihn, Fremden sticheln ihn, an der Bar sitzt er immer allein. In seine Einsamkeit tritt eines Tages Mirja (Maria Järvenhelmi), eine blonde Schönheit, doch ein eiskalter Engel. Vorgetäuscht ist die Liebe, die sie ihm entgegen bringt; an der Nase führt sie ihn herum, im Auftrag einer Gangsterbande, die einen Juwelier ausrauben will. Ihr Plan geht auf und Koistinen ins Gefängnis, denn er ist es, den seine Kollegen und die Polizei für den Dieb halten. Das war’s mit der Liebe, dem Job und der Freiheit – und statt zu rebellieren, seine Unschuld zu beweisen, gegen das Unrecht zu kämpfen, nimmt Koistinen sein Schicksal stoisch und schweigend hin.

Mit Koistinen möchte wohl niemand tauschen. Auch als er seine „Strafe“ abgesessen hat, meint es das Schicksal nicht gut mit ihm. Der Terror seiner Mitmenschen geht weiter, zu schwach ist er, um sich an seinen Gegnern zu rächen. Doch die Lichter der Vorstadt würden nicht brennen, gäbe es nicht noch einen kleinen Lichtblick am Ende des Films. Als Koistinen schon ganz tief gesunken ist, da erblickt er endlich den wahren Engel, der ihm wieder auf die Beine helfen wird.

Wenn Aki Kaurismäki Verlust und Einsamkeit inszeniert, dann ist kein Gramm Fett zuviel an seinen Filmen: Nur auf das Notwendigste reduziert die Dialoge, das Schauspiel, die Ausstattung und dabei werden Bilder produziert, die so wunderschön sind wie die Gemälde von Edward-Hopper. Gerade mal 80 Minuten sind es, die Kaurismäki von uns für seine Geschichte verlangt. 80 Minuten, in denen jede Einstellung sitzt, jede Dialogzeile passt und in denen wir in ein Bad der Melancholie getaucht werden, das uns so schnell nicht wieder loslässt.
 

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/lichter-der-vorstadt-2006