Schräger als Fiktion

Leben, Tod und Steuern

Eine Filmkritik von Katrin Knauth

Harry Crick muss sterben. So will es die Schriftstellerin Karen Eiffel, denn Harry (Will Ferrell) ist die Hauptfigur ihres neuen Romans. Doch Karen Eiffel (Emma Thompson) leidet unter einer Schreibblockade, sie weiß nicht, wie sie ihren Harry umbringen soll. Was sie auch nicht weiß, ist, dass es Harry wirklich gibt. So wie sie ihn beschreibt, tapert er einsam und routiniert als biederer Steuerbeamter durchs Leben. Als Zahlenliebhaber zählt er die Schritte zum Bus, kalkuliert er die Bürstenstriche beim Zähneputzen und löst in Nullkommanix komplizierte Rechenaufgaben. Ein einsames Würstchen ist dieser Harry und dass man das Leben auch genießen kann, ist ihm völlig fremd. Eines Tages reißt ihn eine Stimme heraus aus seinem alltäglichen Trott: ein Frauenstimme, britischer Akzent, die haargenau das erzählt, was er gerade macht, denkt und fühlt – und das mitten beim rituellen Zähneputzen. Es kommt noch besser: diese Stimme lässt Harry Crick nicht mehr los, verfolgt ihn überall hin, treibt ihn in den Wahnsinn.
So beginnt die Geschichte von Schräger als Fiktion / Stranger than Fiction. Wie schon in seinen vorherigen Filmen (Monsters Ball, Stay, Wenn Träume fliegen lernen) changiert Regisseur Marc Foster zwischen Wahrheit und Fiktion, zwischen Traum und Realität; verschwimmen lässt er die Grenzen zwischen Leben und Tod. Harry lebt, aber leblos ist sein Gemüt, morbide sein Lebensstil, sterben soll er, doch überleben will er. Harry fängt erst richtig an zu leben, als ihm die Erzählstimme seinen bevor stehenden Tod prophezeit. Den will er mit allen Mitteln verhindern, doch kein Kollege, kein Psychoanalytiker kann ihm dabei helfen; es gibt nur einen, der Hilfe weiß und das ist Literaturprofessor Jules Hilbert (Dustin Hoffman). Sein Rat an Harry, er solle sein Leben nicht als Tragödie, sondern als Komödie leben. Also was ist köstlicher als eine Romanze zwischen einem Steuerfachmann und einer rebellischen jungen Frau, die ihre Steuern nicht zahlt? Wenn sich der notorische Einzelgänger Harry in die quirlige, kommunikative Ana (Maggie Gyllenhaal) verliebt? So verschieden wie die beiden sind, so köstlicher die Ingredienzien für eine Komödie. Es riecht nach einem Happy End – wer will jetzt noch seinen Tod? – aber Harry muss ja sterben, nur so kann Karen Eiffel mit ihrem neuen Roman in der Literaturwelt brillieren. Einen Ausweg gibt es, und den guckt man sich lieber selbst im Kino an.

Daumen hoch für Marc Fosters kreativen Film, das flotte, schräge Drehbuch von Zach Helm, die visuell brillante Ausstattung von Kevin Thompson. Schräger als Fiktion / Stranger than Fiction ist verschwurbelt und originell wie die Geschichten und Figuren aus den Drehbüchern von Charlie Kaufman (Adaption, Vergiss mein nicht!), sieht unpersönlich aus und steril wie die Filme von Jacques Tati (Playtime, Mein Onkel) und sprüht vor tragisch-komischen Auftritten und Figuren wie wir sie aus Woody-Allen-Filmen kennen (Scoop, Melinda and Melinda). Marc Foster weiß, die Fäden immer schön zusammenzuhalten, er gibt uns diesmal keine verwirrenden Rätsel wie in Stay auf, er lässt uns vollen Bewusstseins hüpfen zwischen dem Blatt Papier in der Schreibmaschine und Harrys wirklichen Leben. Geht das? Im Kino allemal.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/schraeger-als-fiktion