Flags of Our Fathers (2006)

Der Krieg der Bilder

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Wahrscheinlich wäre die Schlacht um die kleinen Pazifik-Insel Iwo Jima am Ende des Zweiten Weltkrieges längst nur eine Fußnote der Geschichte, wenn dort nicht eines der berühmtesten Bilder des 20. Jahrhunderts entstanden wäre. Gemeint ist jenes Bild des Fotografen Joe Rosenthal, das dieser am 23. Februar 1945 für Associated Press aufnahm – es zeigt das Hissen der amerikanischen Fahne auf dem Mount Suribachi. Für das kriegsmüde Amerika erwies sich der scheinbare Schnappschuss mit der künstlerischen Qualität eines antiken Statuenensembles als Glücksfall – das Bild hauchte der Nation neuen Kampfesmut ein. Allerdings, und das stellte sich erst später heraus, war das Bild keine zufällig abgelichtete Momentaufnahme, sondern eine sorgsam arrangierte Inszenierung, die einige Stunden nach dem eigentlichen Hissen der Fahne noch einmal mit einer größeren Flagge für die Kamera wiederholt wurde. Das Bild wurde jedoch nicht nur wegen seiner bildnerischen Komposition eine Ikone des Krieges, sondern auch wegen seines enormen Symbolwertes. Iwo Jima markierte die endgültige Wende im Kampf der Amerikaner an der Pazifikfront, denn das kleine, unwirtliche und vollkommen bedeutungslose Eiland war das erste Stück japanischen Bodens, das von den Amerikanern erobert werden konnte.

Clint Eastwood, dessen Karriere als Regisseur langsam dazu ansetzt, seine Erfolge und seine Respektabilität als Schauspieler in den Schatten zu stellen, hat sich in Flags of Our Fathers der Erinnerungen eines der "flag raiser" angenommen und formt daraus einen Film über die Macht der Manipulation und über Helden wider Willen, der trotz historischer Bezüge nichts an Aktualität eingebüsst hat.

Bereits kurz nach dem symbolträchtigen Akt sind drei der sechs "flag raiser" tot. Eilig werden die Überlebenden – die beiden Marine-Infanteristen Rene Gagnon (Jesse Bradford) und der Indianer Ira Hayes (Adam Beach), sowie der Sanitäter John Bradley (Ryan Phillippe) – von der Informationsabteilung der Army zurück in die Staaten geschickt, wo den jungen Männern ein begeisterter Empfang bereitet wird. Doch der Heimaturlaub hat seinen Preis, man erwartet von den "Helden von Iwo Jima", dass sie an der Heimatfront für Kriegsanleihen werben, denn die Regierung benötigt dringend Geld, um den Krieg im Pazifik weiterzuführen. Angesichts der Realitäten der Kämpfe um die kleine Insel, bei denen auch nach dem Hissen der Fahne noch Tausende von Soldaten starben, lassen sich die Soldaten nur widerwillig auf das Spiel ein. Besonders Ira Hayes leidet unter der Farce, erfährt er doch als Indianer Tag für Tag, welchen Schikanen auch Helden ausgesetzt sein können…

Natürlich drängt sich fast zwangsläufig der Vergleich zu Der Soldat James Ryan / Saving Private Ryan auf, in dessen Mittelpunkt ebenfalls ein symbolischer Akt der Kriegsführung steht, doch Eastwood geht mit seinem Film einen entscheidenden Schritt weiter als Spielberg. Während jener zu keinem Zeitpunkt das "Spiel" der Army in Frage stellt, das zur Rettung der jungen Gis führt, stellt Eastwood in seinem Film genau dieses in den Mittelpunkt der Geschichte und macht so die Fragwürdigkeit der Inszenierung des Geschehens sichtbar. Es ist diese Haltung, die den Film zu einem ganz außerordentlichen Werk werden lässt, jene Mischung aus Unbehagen und Melancholie darüber, wie Menschen manipuliert werden, wenn es höheren, also politischen Zielen dient. Kein Wunder also, dass Flags of Our Fathers verdammt gut in diese Zeit passt, in der man Helden nicht mehr so recht glauben mag.

Für mich ist Flags of Our Fathers neben Der Schmale Grat / The Thin Red Line und Wege zum Ruhm / The Paths of Glory eines jener seltenen Werke, die es verstehen, das Wesen des Krieges auf ehrliche Weise zu zeigen. Und gerade das macht in zu einem Meisterwerk.
 

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/flags-of-our-fathers-2006