Nach der Hochzeit (2006)

Es bleibt in der Familie…

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Ohne Zweifel ist dieser Mann einer der derzeit „heißesten“ europäischen Schauspieler. Mads Mikkelsen genießt einen Ruf, der sich mittlerweile auch ohne seine Mitwirkung als Schurke im neuen James Bond in der Filmszene herumgesprochen haben dürfte. Ob als vollbärtiger und vom Schicksal gebeutelter Pastor in Adams Äpfel /Adams Æbler, als smarter Mediziner in Gewissensnöten in Open Hearts / Elsker Dig For Evigt oder als meuchelnder Metzger in Dänische Delikatessen / De Grønne Slagtere – kaum einem Akteur aus der Alten Welt sind Schicksalsschläge und Fatalismus so sehr ins noch junge Antlitz eingegraben wie dem Dänen.

In Susanne Biers (Brødre / Brothers) neuem Film Nach der Hochzeit / Efter Brylluppet spielt Mads Mikkelsen den nach Indien ausgewanderten Jacob, der dort seit vielen Jahren ein Waisenhaus betreibt. Doch die Institution ist knapp bei Kasse und steht kurz vor dem Aus, bis Jacob ein ungewöhnliches Angebot erhält. Der wohlhabende dänische Geschäftsmann Jørgen (Rolf Lassgård) bietet dem Waisenhaus 12 Millionen Dollar an, die allerdings an die Bedingung geknüpft sind, dass Jacob persönlich nach Dänemark reist, um die Formalitäten des Geldsegens selbst zu regeln. Jacob, der mit seiner Vergangenheit in Europa abgeschlossen hat, stimmt dem seltsamen Vorschlag des reichen Gönners nur widerwillig zu, bricht dann aber doch zu der Reise auf.

Doch in seiner alten Heimat angekommen, muss Jacob feststellen, dass der erwartete Geldsegen noch ein wenig auf sich warten lässt. Statt der Vertragsunterzeichnung winkt zunächst einmal eine Einladung zur Hochzeit von Jørgens Tochter Anna (Stine Fischer Christensen), eine lästige Pflicht, die der solchermaßen Geehrte nur widerwillig erfüllt. Auf der Hochzeit erwartet ihn allerdings eine faustdicke Überraschung – denn er erkennt in Jørgens Frau seine einstige Jugendliebe Helene (Sidse Babett Knudsen) wieder. Und als er schließlich noch erfährt, dass sein Gönner nicht der biologische Vater Annas ist, keimt eine Erkenntnis in ihm, die ihn die Zusammenhänge des zufälligen Geldsegens in einem gänzlich anderen Licht sehen lässt.

Heimlich, still und leise und ohne das Tamtam des großen Auftritts, wie es etwa Lars von Trier, der ewige Provokateur, pflegt, entwickelt sich Susanne Bier immer mehr zu einer Spezialistin für schwierige, sperrige und emotional höchst ausgeladene Stoffe, die vor melodramatischen Wendungen nur so strotzen und die allesamt als griechische Tragödien durchgehen könnten. Angenehm, ohne jemals ins Seichte abzugleiten, bleibt das Drama vor allem dank Biers unaufdringlicher und behutsamer Regie, der die Einflüsse von DOGMA immer noch anzumerken sind. Hier allerdings weniger als Firlefanz, sondern als Reduzierung und Verknappung auf das Wesentliche, wodurch die schicksalhaften Verstrickungen wie unter einem Vergrößerungsglas hervorgehoben erscheinen. Und selbst der kleine Wermutstropfen eines allzu glatten Endes kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass dieser Film geradezu ein Musterbeispiel dafür ist, auf welche Weise und mit welch einfachen Mitteln heutzutage emotionale und bewegende Geschichten erzählt werden können. Und deshalb sei dieser Film auch allen Filmemachern und Drehbuchschreibern ausdrücklich empfohlen; nicht zur Nachahmung, sondern als unerschöpfliche Quelle der Inspiration.
 

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/nach-der-hochzeit-2006