Die Hollywood-Verschwörung

Hollywood Babylon

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Als am frühen Morgen des 16. Juni 1959 George Bessolo Reeves (Ben Affleck) von einem tödlichen Schuss in den Kopf getroffen stirbt, hält die amerikanische Nation für einen Weile den Atem an, denn der Mann ist nicht irgendwer. In Windeseile verbreitet sich die Nachricht: \"Superman ist tot!\" Natürlich ist es nicht der berühmte Comic-Held, der da auf dem Fußboden seines Hauses in Beverly Hills liegt, sondern \"nur\" dessen Darsteller in einer höchst erfolgreichen Fernsehserie, die 1951 ihren Anfang nahm. Doch für die Menschen und vor allem für die Kinder IST George Reeves ihr Held, ihr Idol und verkörpert all ihre Träume nach Unbezwingbarkeit und Omnipotenz in den unsicheren Zeiten des beginnenden Kalten Krieges.
Dies ist der höchst reale Ausgangspunkt für Allen Coulters Neo-Noir-Drama Die Hollywood-Verschwörung / Hollywoodland, das den von Reeves’ Mutter engagierten Privatdetektiv Louis Simo (Adrien Brody) mitten in das Herz der kalifornischen Traumfabrik führt. Denn die Mutter des Schauspielers kann sich einfach nicht mit dem Tod ihres Sohnes abfinden und glaubt an eine Verschwörung, ein Selbstmord – so die offizielle Darstellung des Todesfalles – ist für die Frau einfach undenkbar. Simo beginnt damit, das Leben des TV-Stars zu untersuchen und stößt schnell auf Ungereimtheiten, die den Todesfall in einem anderen Licht erscheinen lassen. Da ist beispielsweise Reeves Ex-Geliebte und Förderin Toni Mannix (Diane Lane), die als Frau des mächtigen MGM-Boss Eddie Mannix (Bob Hoskins) großen Einfluss auf die Karriere des Schauspielers hatte. Als der Mime sich wegen des Starlets Leonore Lemmon (Robin Tunney) von ihr trennte, brach für die Gattin des mächtigen Studiobosses eine Welt zusammen. Doch auch die neue Partnerin des TV-Stars verhält sich merkwürdig, denn sie meldete den Tod ihres Geliebten erst eine Dreiviertelstunde nach den Geschehnissen, und das, obwohl sie sich zu diesem Zeitpunkt am Tatort befand. Und zuletzt sind da noch zwei weitere Einschusslöcher, für die es keinerlei Erklärung gibt…

Neben dem ebenfalls vor kurzem als The Black Dahlia verfilmten Todesfall Elisabeth Shorts zählt der Tod des Superman-Darstellers George Reeves bis heute zu den ungelösten Geheimnissen Hollywoods, der die Fans und Kritiker der Traumfabrik bis heute beschäftigt. Die eigentümliche Faszination, die von diesen realen Fällen ausgeht, ist vor allem dadurch zu erklären, dass sie eine Ahnung davon vermitteln, dass hinter der glitzernden Fassade der Traumfabrik mindestens ebenso viele Abgründe lauern, wie dies Kenneth Anger in seiner Chronique Scandaleuse Hollywood Babylon beschrieben hat. Die Hollywood-Verschwörung /Hollywoodland zeigt das Lebensdrama eines Schauspielers, der sich lange Zeit mit kleinen Nebenrollen (unter anderem in Vom Winde verweht / Gone with the Wind) über Wasser hielt, bis er als Superman entdeckt und berühmt wurde. Doch der Karrieresprung hatte auch seine Schattenseiten – Reeves wurde zum Opfer seines Erfolgs, denn das Publikum indetifizierte ihn nur noch mit dieser einen Rolle, so dass er keine anderen Rollen mehr erhielt.

Mit einer überdeutlichen Verbeugung vor dem Film Noir und einem \"Private Eye\" Adrien Brody, der auf dem schmalen Grat zwischen Hommage und Karikatur der großen Vorbilder Philip Marlowe und Sam Spade agiert, ist Allen Coulter ein sehenswerter Blick hinter die Kulissen der Traumfabrik in den Fünfzigern gelungen, bei dem letztendlich nur das etwas zu kuschelig geratene Ende enttäuscht. Ben Affleck aber kann nach einer längeren schauspielerischen Durststrecke endlich mal wieder zeigen, dass er deutlich mehr zu bieten hat als ein unglückliches Händchen für unglücklich endende Liebesgeschichten. Er bringt den Charme und das schlussendliche Scheitern von George Reeves auf den Punkt. Ein beinahe wehmütiger Blick zurück ins alte Hollywood, das bereits in jenen Tagen zum Sterben verdammt war – genauso wie Superman.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/die-hollywood-verschwoerung