Ad Lib Night

Berlinale 2007 - Forum

Eine Filmkritik von Katrin Knauth

Am späten Nachmittag, am Rande einer belebten Straße in Seoul, wartet eine junge, zierliche Frau, Anfang 20. Sie wird von zwei jungen Männern angesprochen, die in ihr eine Frau namens „Myung-eun“ erkennen. Doch die Männer irren, die Ähnlichkeit ist verblüffend, aber diese Frau ist eine Andere. Die richtige „Myung-eun“ ist seit zehn Jahren verschwunden, ihr Vater liegt nun im Sterben und „Myung-eun“ soll sich von ihm verabschieden. Lange und in geduldig asiatischer Manier reden die Männer auf die fremde Frau ein, wollen sie überzeugen, für „Myung-eun“ einzuspringen. Die Frau zögert, zweifelt, wehrt ab – und willigt schließlich ein, die Rolle der Tochter des sterbenden Mannes zu spielen.

So beginnt der liebevoll erzählte, traurig-schöne Film des koreanischen Regisseurs Lee Yoon-ki. Eine Nacht lang erzählt der Film die Geschichte dieser jungen Frau, wie sie verschlossen und skeptisch ihr Vertrauen in fremde Hände legt, wie sie in den Kreis einer trauernden Familie gerät, wie sie am Sterbebett auf Tatamimatten kniet und einem Menschen die Hand hält, den sie noch nie vorher gesehen hat. Wie sie sich vorsichtig und neugierig bewegt, während die Angehörigen im Nachbarzimmer singen, streiten, essen, trinken, rauchen. Der Film nimmt sich Zeit für Details, verharrt in Einstellungen, beschäftigt sich mit Gedanken, Hoffnungen und Sorgen der Figuren. Warum ist die fremde Frau mitgegangen? Ein Geheimnis, das sich auf der morgendlichen Rückfahrt in die Stadt lüftet. In der blauen Stunde erfahren wir ihren Schmerz, ihre Geschichte. Eine Melancholie, wie sie selten schön in Bildern festgehalten wird. Lee Yoon-ki war mit This Charming Girl 2005 im Berlinale-Forum vertreten. Schön, das er wieder da ist.
 

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/ad-lib-night