Tuyas Hochzeit

Jenseits der Zeit

Eine Filmkritik von Katrin Knauth

So modern und reich die Megacities Schanghai oder Hongkong sind, so ärmlich, und karg sind die ländlichen Regionen Chinas. Tuyas Hochzeit / Tu ya de hun shi ist ein Film über dieses bäuerliche Leben am Rande der schnelllebigen Gesellschaft. Er spielt in einem Gebiet, wo die Zeit still zu stehen scheint und das Dasein sich ausschließlich um das blanke Überleben dreht.
Die junge Tuya (Yu Nan) lebt arm und abgeschieden mit ihrem körperlich behinderten Ehemann Bater und ihren zwei Kindern. Sie kümmert sich um Haus und Vieh, treibt die Schafe über die Felder, schleppt schwere Wasserkübel heran, kocht wärmenden Milchtee in großen dampfenden Töpfen. Abends bricht sie erschöpft neben ihrem Mann zusammen. An die Kälte sind sie gewohnt, dicke Wattejacken werden selbst im Haus getragen. Immer die gleiche Plage bis Tuya eines Tages auf dem Feld zusammen bricht. Wirbelsäulenverrenkung diagnostiziert der Arzt und untersagt ihr schwere Arbeit. Als hätten Tuya und ihr Mann bisher nur in einer Zweckehe zusammen gelebt, beschließen sie, sich zu scheiden. Tuya soll einen gesunden Mann heiraten, der sich um sie und die Kinder kümmert. Vernünftig, aber herzlos, könnte man denken – doch Tuya fordert von dem neuen Mann, dass Bater weiterhin bei ihr bleiben darf. Die Männer kommen in Scharen. Die ersten Kandidaten auf Pferden, die nächsten auf Motorrädern – doch erst der Anwärter im alten, schwarzen Mercedes, ein alter Schulfreund scheint der Richtige für Tuya zu sein. Köstlich, wie bei dieser Aktion ganz nonchalant Chinas Problematik des Männerüberschusses abgehandelt wird. Chinas Ein-Kind-Politik hat dazu geführt, dass unerwünschte Mädchen abgetrieben oder nach der Geburt getötet und Jungen bevorzugt werden. Fakt ist, dass knapp ein Fünftel der Chinesen später keine Frau finden wird. Haus, Auto und Geld allein machen eben auch keinen Single-Chinesen glücklich. Doch auch der Schulfreund Tuyas akzeptiert ihren Wunsch nicht, sie mit Bater zu teilen. Zu groß wäre der Gesichtsverlust. Tuya bleibt hartnäckig und wird belohnt. Am Ende findet sie den Mann, der Bater akzeptiert und der immer schon ganz in ihrer Nähe war – ein "Happy End" ist es jedoch nicht.

Ähnlich wie Mongolian Ping Pong von Ning Hao, der 2005 im Berlinale-Forum lief, führt uns auch Wang Quan’ans Film Tuyas Hochzeit in eine entfernte, archaische Welt, in die eine kurios und liebevoll erzählte Geschichte platziert wird. Der Regisseur mischt Dokumentarisches mit Fiktion. Die Figur des Ehemanns Bater wird von einem Laiendarsteller gespielt, im wirklichen Leben ist er ein Hirte. Der Film zeigt die harten Lebensbedingungen und die unendlich weiten Landschaften in der Mongolei. Und inmitten unseres hektischen Alltages entdecken wir in diesem Film ein anderes Leben, voller Ruhe, Langsamkeit und archaischer Größe - ein außergewöhnlicher Film ist das, der 2007 überraschend, aber vollkommen berechtigt den "Goldenen Bären" der Berlinale gewann.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/tuyas-hochzeit