The Walker

Ein Freund gewisser Damen

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

The Walker, so nennt man einen Begleiter für die betuchte Frau von Welt, der die Damen der besseren Gesellschaft unterhält und amüsiert, wenn deren Gatten mal wieder große Politik oder big business oder vielleicht auch beides betreiben. Carter Page III. (Woody Harrelson) ist so ein Begleiter, und seine Definition von Lebensart, seine geistreichen Belanglosigkeiten und seine Vorliebe für Männer lassen ihn als späten Adepten des Salonlöwen Oscar Wilde erscheinen, wenngleich seine Stimme und sein grauenhafter aufgesetzter Südstaaten-Akzent nicht gerade den Charme des Walkers nachvollziehbar machen.
Zu Carters Kundschaft der gelangweilten Damenwelt zählen vor allem Lynn Lockner (Kristin Scott Thomas), Natalie van Liter (Lauren Bacall) und Abigail Delorean, die so genannte Mittwochsgesellschaft, mit der sich Carter einmal wöchentlich zum Canasta nebst Tratsch, Klatsch und kleinen Giftigkeiten austauscht. Außerdem ist da noch Carters Freund Emek Yoglu (Moritz Bleibtreu), ein Künstler von unbestimmtem Talent und mit abenteuerlichem Akzent. So ließe es sich eigentlich aushalten in Washington D.C., doch dann wird Lynns heimlicher Liebhaber, ein Lobbyist, von seiner Freundin und dem Walker erstochen aufgefunden. Der smarte und ehrgeizige Staatsanwalt Mungo Tennant (William Hope) verdächtigt sowohl Carter wie auch Lynn des Mordes, und der Walker muss die Erfahrung machen, dass die Gewogenheit seiner einflussreichen Kundinnen sich mitunter sehr schnell in Luft auflösen kann. Dank der Hilfe Emeks macht sich Carter daran, die wahren Hintergründe der Affäre aufzudecken und stößt dabei auf ein Geflecht aus Intrigen und undurchsichtigen Machenschaften im Zentrum der Macht der USA.

Der neue Film des diesjährigen Vorsitzenden der Berlinale –Jury ist ein komplexer Politthriller, der allerdings nur halb so spannend ist, wie er sein könnte. Und Woody Harrelson erweist sich als plaudernder Held der Damenwelt und stets bestens gekleideter Gesellschafter mit Toupet als wenig glaubwürdig, so dass sich der Verdacht aufdrängt, dass Schraders beste Jahre vorbei sind und sein The Walker nur einen müden Abklatsch seines American Gigolo darstellt. Schade eigentlich, bei dieser sehenswerten Besetzung hätte man durchaus mehr erwarten dürfen.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/the-walker