Die Herbstzeitlosen

Vier hinreißend agile Damen

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Es scheint so, als erobere die Generation 50+ langsam das Kino. Und das nicht nur als zahlendes Publikum, das – zumindest im Bereich der Arthouse-Kinos – zunehmend an Bedeutung gewinnt, sondern auch als Protagonisten auf der Leinwand: Ob Kalender Girls, Elsa & Fred oder andere Filme: Das Kino ist längst kein Ort ausschließlicher Jugend und ewiger Schönheit mehr, sondern fokussiert mehr und mehr auf das Leben älterer Menschen in seiner ganzen Bandbreite – von rasend komisch bis todtraurig. Bettina Oberlis Film Die Herbstzeitlosen fügt dieser sich entwickelnden Gattung nun ein neues Werk hinzu, das sich nahtlos und unterhaltsam in diese Ahnenreihe einfügt und das auf ebenso vergnügliche wie nachdenklich machende Weise die Freuden und Nöte des Älterwerdens schildert.
Nach dem Tod ihres Mannes hat die achtzigjährige Martha (Stephanie Glasner) ihre Lebensfreude verloren, nicht einmal die sonntägliche Kartenpartie mit ihren Freundinnen Lisi (Heidi Maria Glössner), Frieda (Annemarie Düringer) und Hanni (Monica Gubser) kann sie noch auf andere Gedanken bringen. Zum Glück aber findet sich eine Aufgabe, die die depressive Freundin ablenken soll: Anlässlich des bevorstehenden Dorffestes benötigen die Männer eine neue Vereinsfahne, und da kann Martha, die das Schneiderhandwerk gelernt hat, mit Sicherheit helfen. Als sich die vier rüstigen Damen nach Bern aufmachen, um dort nach dem geeigneten Stoff für die Fahne zu suchen, schwelgen sie gemeinsam in Samt, Seide und anderen edlen Tüchern. Insbesondere Martha ist begeistert, hatte sie doch als junges Mädchen den Traum, einen kleinen, aber feinen Laden mit selbst genähten Dessous in Paris zu eröffnen. Als Lisi das erfährt, ist sie begeistert und setzt alles daran, den Laden mit der feinen, handgearbeiteten Unterwäsche in ihrem Heimatdorf auf die Beine zu stellen. Doch was in Paris für Entzücken und reichlich Kundenzuspruch gesorgt hätte, stößt in Trub auf ebenso erbitterten wie scheinheiligen Widerstand, der ausgerechnet von Marthas Sohn Walter (Hanspeter Müller-Drossaart), der gleichzeitig der Pfarrer des Ortes ist, angeführt wird. Der nämlich will den Laden übernehmen, um dort die örtliche Bibelgruppe anzusiedeln. Und auch sonst weht der Dessous-Unternehmerin viel Gegenwind ins Gesicht…

Um es kurz zu machen: Bettina Oberlis charmante Rentnerinnen-Komödie glänzt nicht durch die Neuerfindung der Filmsprache oder durch Bahn brechende Plottwists, sondern vielmehr durch die gelungene Kombination aus Humor, netten Dialogen (die allerdings im Original kaum zu verstehen wären), einem liebevoll gezeichneten Figurenensemble mit der richtigen Mischung aus Kauzigkeit und Bodenständigkeit und dem eigentlich ernsten Hintergrundthema einer alternden Gesellschaft, die nichts mehr braucht als einen Sinn im Leben und das Gefühl, gebraucht zu werden. Auch wenn manches an der Geschichte von Martha und ihren Freundinnen etwas zu sehr abseits des Wahrscheinlichen liegt – warum muss etwa ausgerechnet Marthas Sohn Pfarrer sein? – versteht es der Film doch gleichermaßen zu unterhalten wie auch nachdenklich und ein klein wenig melancholisch zu stimmen. Das wirkt zwar auf seltsame Weise von anderen Filmen mit ähnlicher Thematik vertraut, aber vielleicht ist dieses Gefühl der Vertrautheit durchaus beabsichtigt. Und angesichts vieler Filme, die weder das eine noch das andere richtig beherrschen und beides zusammen schon gar nicht, ist Die Herbstzeitlosen ein durchaus gelungenes Beispiel dafür, dass das Leben mit 66 noch lange nicht vorbei ist.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/die-herbstzeitlosen