Full Metal Village

Wackens ganze Härte

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Einmal im Jahr, jeweils am ersten Wochenende im August, erlebt das kleine schleswig-holsteinische Dorf Wacken, in dem gerade mal 1.800 Einwohner leben, eine regelrechte Invasion, die manchem der Bewohner wie der Ansturm barbarischer Horden erscheinen mag. Denn zu diesem Zeitpunkt findet das alljährliche Wacken Open Air – kurz W:O:A: - statt, das sich im Laufe der Jahre zum weltweit größten Event für die Heavy-Metal-Szene entwickelt hat. Nach bescheidenen Anfängen im Jahre 1990 sind es mittlerweile rund 60.000 Fans, die das Festival besuchen.
Die aus Korea stammende und seit 20 Jahren in Deutschland lebende Regisseurin Sung-Hyung Cho hat in Full Metal Village das jährliche Mega-Event dokumentiert und daraus eine Art „Heimatfilm“ über das Aufeinandertreffen zweier vollkommen unterschiedlicher Kulturen geformt, der ebenso unterhaltend und vergnüglich wie gewitzt agiert, indem er die Gegensätze nebeneinander stellt, ohne sie zu kommentieren. Und derer gibt es wahrlich genug: Das beginnt bereits bei den Strukturen der beiden sozialen Gruppen – hier die „Dörfler“ einerseits mit Fixpunkten wie Tanzabenden zu Country-Musik, dem Kirchenchor und dem verstohlenen Wunsch der jungen Leute nach der großen weiten Welt, dort die Fans mit ihren Riten, martialischen Symbolen und dem beängstigenden Auftreten, die sich aber in ihrer Gesamtheit als verträgliche Zeitgenossen entpuppen.

Doch es ist nicht allein das Aufeinandertreffen der Einwohner von Wacken mit den Heavy-Metal-Fans, das die Regisseurin umtreibt, sondern auch die sich verändernden Strukturen des Ortes: Existenzängste, das Erkennen von Chancen, die Schwierigkeiten, auf dem Land noch einen adäquaten Job zu finden, all dies spürt Sung-Hyung Cho auf, zeigt es beinahe beiläufig, schildert die Normalität, die Vorbereitungen für das Festival und danach wieder die Rückkehr ins normale Leben. Vielleicht braucht es ja dazu einen fremden Blick, um herauszuarbeiten, dass Toleranz und das Nebeneinander von Kulturen sich nicht allein auf unser Zusammenleben mit Ausländern beschränkt, sondern bereits zwischen uns beginnt.

Sung-Hyung Chos Full Metal Village gewann beim diesjährigen Max-Ophüls-Festival den Preis als bester Film und erhielt darüber hinaus den Hessischen Filmpreis und den Schleswig-Holsteinischen Filmpreis 2006 – ein gerechter Lohn für einen Film, der gekonnt die Balance hält zwischen Ernsthaftigkeit und viel Humor.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/full-metal-village