Die Wilden Hühner und die Liebe (2007)

Wenn Küken erwachsen werden

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Erwachsen sein ist schon eine Last, und um wie viel schwerer ist das Erwachsen werden. Davon können auch die „Wilden Hühner“ ein Liedchen singen. Denn in der Fortsetzung des Erfolgsfilms nach einem Buch von Cornelia Funke geht es nun um die schwierigste Sache der Welt. Es geht um die Liebe und die ersten Erfahrungen damit. Und deshalb steht dieses Thema folgerichtig auch im Filmtitel und gibt klar die Richtung vor. Doch – und das hat etwas unglaublich Beruhigendes an sich – es sind nicht nur die heranwachsenden Mädchen, die sich dem Ansturm der Gefühle und den damit verbundenen Wirrungen schutzlos gegenüber sehen, sondern ebenso die Erwachsenen.

Es ist kein Zufall, dass ausgerechnet die Proben zu einer Aufführung von William Shakespeares’ Theaterstück Ein Sommernachtstraum den Fortgang der Handlung begleiten. Und im realen Leben wie auf der Bühne beherrscht die Liebe das Leben der Mädchen rund um Sprotte (Michelle von Treuberg), die nach wie vor mit Fred (Jeremy Mockridge), dem Boss der Pygmäen zusammen ist. Wenn da nur nicht diese dumme Geschichte mit Sprottes Eifersucht wäre. Auch die anderen „Hühner“ haben ihre liebe Mühe mit den Gefühlen. Da ist etwa Melanie (Paula Riemann), die damit fertig werden muss, dass ihr Freund Willi (Vincent Redetzki) sie wegen eines anderen Mädchens verlassen hat. Frieda (Lucie Hollmann) hingegen vergeht vor Sehnsucht nach Maik (Jannis Niewöhner), den sie im letzten Urlaub kennen und lieben gelernt hat. Trude (Zsá Zsá Inci Bürkle) hat sich unsterblich in den coolen Ricky (Nikita Wokurka) verknallt, der allerdings scheint über den Dingen zu stehen. Wilmas (Jette Hering) Liebesleben hingegen gestaltet sich noch komplizierter, denn sie hat ihr Herz an ein anderes Mädchen verloren, mit der sie gemeinsam in dem Theaterstück auf der Bühne steht. Doch wie bereits erwähnt, sind es nicht allein die „Wilden Hühner“ selbst, die mit den eigenen Gefühlen zu kämpfen haben. So hat sich etwa Sprottes Mutter (Veronica Ferres) gerade dazu durchgerungen, den von Sprotte missbilligend als „Klugscheißer“ titulierten Fahrlehrer Thorben (Oliver Stokowski) zu ehelichen, als unvermutet und nach zwölf Jahren Sprottes leiblicher Vater Christian (Thomas Kretschmann) wieder auftaucht. Eine Begegnung, die nicht nur Sprottes Mutter, sondern auch das Mädchen selbst in widerstreitende Gefühle stürzt.

Vivian Naefe, die bereits die Regie beim ersten Film rund um die sympathische Mädchenclique führte, erweist sich auch bei der Fortsetzung Die Wilden Hühner und die Liebe als kongeniales Pendant zur Autorin der Vorlage Cornelia Funke. Mit leichter Hand gibt sie den kreuz und quer schießenden Handlungsfäden, die jeweils andere Facetten der Liebe aufgreifen, Ordnung und Struktur, findet bezaubernd leichte Übergänge, baut das Grundthema in verschiedener Weise ein und belässt es auch dankenswerterweise mal bei Andeutungen, wo andere Regisseure zu langatmigen Erklärungen geneigt hätten. Die Vielschichtigkeit des Films, die man im ersten Moment auch als Sprunghaftigkeit auslegen könnte, zählt gleichzeitig zu seinen größten Stärken, denn auf diese Weise entsteht ein facettenreiches Panoptikum, das von Liebesleid bis Liebesfreud, von Trauer, Sehnsucht und Verlassenwerden bis zum wunderbaren Gefühl des Verliebtseins nahezu jede Tonart beschreibt – und dies stets treffend. Selbst an erwachende Regungen gegenüber dem eigenen Geschlecht wagt sich Naefe heran, und meistert auch diese Hürde souverän. Dies, das sympathische Buch von Cornelia Funke und eine durchweg gute Schauspielleistung des gesamten Ensembles macht Die Wilden Hühner und die Liebe zu einem bemerkenswerten und unterhaltsamen Film, der sensibel und klar an die Gefühlswelt der Erwachsenen heranführt und von dem auch eben jene noch einiges lernen können.
 

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/die-wilden-huehner-und-die-liebe-2007