Beste Zeit

Von Oberbayern in die große weite Welt

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Marcus H. Rosenmüller ist einer der Protagonisten der so genannten "bayrischen Nouvelle Vague", die seit wenigen Jahren die deutsche Filmlandschaft auf den Kopf stellt. Selbstbewusst und Heimat verbunden präsentieren Filmemacher wie Stefan Betz (Grenzverkehr), Hans Steinbichler (Hierankl; Winterreise) und eben Marcus H. Rosenmüller (Wer früher stirbt, ist länger tot; Schwere Jungs) Geschichten aus der bajuwarischen Provinz, die sich trotz des Dialektes längst auch ein treues Stammpublikum nördlich des Weißwurstäquators erobert haben. Dabei gelingt ihnen das Kunststück, abseits jeglicher Lederhosen-Klischees und ohne den üblichen folkloristischen Klamauk ein ebenso treffendes wie witziges Porträt ihrer meist jugendlichen Helden zu schaffen, die oftmals vor der Frage stehen, ob sie hier, auf dem Land, noch eine Zukunft haben oder ob es nicht besser wäre wegzugehen. Insofern beinhaltet jeder dieser neuen "Heimatfilme" auch stets die Sehnsucht nach dem Fernen, Fremden, nicht Vertrauten.
Tandern im Dachauer Land ist ein kleines Nest, in dem nicht gerade viel los ist. Das finden auch Kati (Anna Maria Sturm) und ihre beste Freundin Jo (Rosalie Thomass), die beide von der großen weiten Welt träumen. "Auf Fahrtwind und Freiheit. Sehnsucht und Liebe. An Tschik und a Bier. Und den Vollmond als Wegweiser", so stellten sich die beiden Mädchen den Duft von Freiheit und Abenteuer vor. Aber da ist ja noch die Sache mit der Liebe, von der Kati und Jo genauso verschwommene und diffuse Vorstellungen haben wie vom Leben jenseits des Dorfes. Da ist zum Beispiel Mike (Florian Brückner), der gerade beim Bund ist und der kaum je Zeit für sie hat. Doch der ist nicht der einzige, an den Kati denken muss: Immer wieder schweifen ihre Gedanken zu Lugge (Stefan Murr) ab. Und zuletzt ist da noch Rocky (Ferdinand Schmidt-Modrow), mit dem sie und Jo sich früher einmal ewige Treue geschworen haben. Dann endlich kommt das lange ersehnte Schreiben ins Haus geflattert, dass Kati für ein Jahr in die USA zum Schüleraustausch darf. Nur: Jetzt, da die große Freiheit zum Greifen nah ist, fühlt sie sich plötzlich gar nicht mehr wohl in ihrer Haut...

Eine Jugend zwischen Dorfleben und den Sehnsüchten nach der großen Liebe und der großen Freiheit, zwischen Kindsein, pubertärer Verunsicherung und den Wünschen und Hoffnungen für die Zukunft – das alles zeichnet Marcus H. Rosenmüller in seinem neuen Film Beste Zeit liebevoll, zärtlich und voller Humor nach. Allerdings ist Beste Zeit ernsthafter und nachdenklicher im Ton als etwa Wer früher stirbt ist länger tot. Sonst aber bleibt Rosenmüller sich und seinen Geschichten treu – natürlich sprechen die beiden wunderbaren Hauptdarstellerinnen Anna Maria Sturm und Rosalie Thomass ebenso wie alle Figuren des Films breitestes Bayrisch, was für manche Zuschauer das Verständnis ein wenig trüben dürfte. Doch je länger man Katie und Jo dabei zusieht, wie sie sich selbst entdecken und nach dem richtigen Weg für sich suchen, desto mehr versteht man instinktiv, wie sie denken, fühlen, handeln und was sie sagen. Und genau das ist das Wunderbare an den Filmemachern der "bayrischen Nouvelle Vague": Mögen ihre Geschichten auch in der Provinz verwurzelt sein, das was sie erzählen, sind Themen, die die Menschen überall bewegen – ob in Hilgertshausen-Tandern, Frankfurt am Main, in Flensburg oder in Kalkutta.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/beste-zeit