Lauf der Dinge

Doku-Soap zum Davonlaufen

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Ibiza – das ist für zahlreiche, vor allem junge Leute gleichzeitig Inbegriff und Traum eines freien, sorglosen und vor allem vergnüglichen Lebens auf der Sonnenseite. In Scharen strömen Jahr für Jahr erlebnishungrige Touristen auf die paradiesisch anmutende Balearen-Insel, auf der mittlerweile jeder fünfte Bewohner ausländischer Herkunft ist. Die Versuchung, nicht nur für die kurze Zeit eines Urlaubs auf der "Insel der Reichen und Schönen" zu weilen, sondern aus dem scheinbar öden Alltag auszusteigen und sich dauerhaft auf Ibiza niederzulassen, befällt nicht selten meist Anhänger der Spaß-Generation, die jedoch häufig angelegentlich erfahren müssen, dass der Eintritt in dieses Paradies keineswegs kosten- und mühelos ist.
Das Spielfilmdebüt Lauf der Dinge / Paradizers von Rolf S. Wolkenstein, der auch für das Drehbuch mit verantwortlich gemacht werden muss, beschäftigt sich gleichermaßen mit euphorischen Urlaubern wie trotzigen Aussteigern, die dem verheißungsvollen Ruf Ibizas als Schauplatz für ebenso heißes Strand- wie Nachleben folgen. Wolkenstein setzt dabei auf ein überwiegend banal wirkendes Doku-Soap-Format, das längst die Bildschirme der Fernsehnation überschwemmt hat und kaum noch geeignet ist, das Publikum zu bannen, so dass sich beinahe die Frage stellt, womit sich der Kinozuschauer denn während des Films noch die Zeit vertreiben könnte.

Während Florian (Sebastian Archilles) und sein Freund Daniel (Tom Lass) Ferien auf Ibiza machen, um es vor allem in Bezug auf hübsche Mädchen endlich einmal ordentlich krachen zu lassen, ist die verwöhnte Elisa (Zoë Weiland) eher auf der Flucht vor familiären Unstimmigkeiten und gezwungen, sich ohne pekuniäre Mittel durchzuschlagen, nachdem ihr Vater den Geldhahn für das Insel-Abenteuer zudreht. Die junge Frau tut sich mit dem berechnenden Richie (Manuel Cortez) zusammen, der zwar große Pläne hat, sich aber im Grunde mehr schlecht als recht durchschlägt, so dass die Enttäuschung vorprogrammiert ist. Florian hingegen macht die überraschende Entdeckung, dass ihn das gleiche Geschlecht stärker anzieht als das andere, und Daniel muss erkennen, dass die Mutation zu einem Sexprotz auch unter sonnigem Himmel keineswegs automatisch erfolgt.

Mit sentimentalen Träumen, furchtsamen Albträumen und harten Realitäten von Strandgängern und Gestrandeten wartet Lauf der Dinge / Paradizers auf, wobei das Mini-DV-Format der Kamera mit der oberflächlich verbleibenden Handlung und ihren kaum vertieften Charakteren zwar harmoniert, jedoch allenfalls davon zu überzeugen weiß, dass möglicherweise ein Abend mit Urlaubsvideos, nicht aber das Medium Kino für derlei Gestaltungen geeignet ist.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/lauf-der-dinge