Am Ende kommen Touristen

Deutsch-polnische Beziehungen

Eine Filmkritik von Verena Kolb

Nichts ist normal in Oswiecim. "Das ist ein sensibler Ort", diesen Satz hört Sven (Alexander Fehling) nicht zum letzten Mal, als sein Vorgesetzter ihn ermahnt, etwas feinfühliger mit Herrn Krzeminski (Ryszard Ronczewski) umzugehen. Schon als Tourist, der das ehemalige Konzentrationslager besucht, ist es nicht gerade einfach, die ungeschriebenen Regeln des Ortes, der sich einst Auschwitz nannte und an dem einst passierte, was nur schwer zu begreifen ist, zu erkennen und zu befolgen. Als Zivildienstleistender muss sich Sven jedoch ganz anders mit der Vergangenheit und der von der Vergangenheit unmittelbar beeinflussten Gegenwart auseinandersetzen. Der Aufenthalt in Polen wird für Sven zur Bildungsreise, das Jahr Zivildienst nicht ein Jahr voller Spaß und Unbeschwertheit, sondern eine Zeit der Zweifel, unterschiedlichster Erfahrungen und Zerreißproben.
Die Zivi-Stelle in Polen ist nicht Svens Erstwahl gewesen; eigentlich wollte er nach Amsterdam. Dann ist jedoch nur noch Oswiecim übriggeblieben. Und Sven kommt nicht gerade mit guter Laune und Enthusiasmus in die polnische Kleinstadt. Mit der Sprache tut er sich schwer, er begegnet den Menschen mit Skepsis und weiß nicht so recht, was er hier soll. Besonders mit Stanislaw Krzeminski, der das Konzentrationslager überlebt hat, hat er seine Schwierigkeiten. Sven soll sich um den mürrischen alten Mann kümmern, der sich am liebsten in seine Werkstatt einschließt und die Koffer repariert, welche die Häftlinge vor ihrer Ermordung zurücklassen mussten. Wenn der Zeitzeuge vor Jugendgruppen spricht oder zu feierlichen Anlässen eingeladen wird, erzählt Krzeminski – fast routiniert, aber auch offensichtlich aus einem inneren Bedürfnis heraus – seine Geschichte, die Vergangenheit von Auschwitz. Vor der Gegenwart hingegen verschließt er sich: Er will das Lager nicht verlassen, die liebevollen Annäherungsversuche seiner Schwester und ihr Angebot, zu ihr ins benachbarte Dorf zu ziehen, ignoriert er hartnäckig.

Indessen lernt Sven die Fremdenführerin Ania (Barbara Wysocka) kennen. Ein erster Lichtblick tut sich auf, und als er aus dem Begegnungszentrum auszieht, sich eine WG in der Stadt sucht und Ania - nun als Vermieterin seines Zimmers - wieder trifft, scheint sich das Blatt für Sven zu wenden. Doch damit fängt die Bewährungsprobe erst an...

Am Ende kommen Touristen ist Robert Thalheims zweiter Kinofilm nach dem Überraschungserfolg Netto, für den er unter anderem beim Filmfestival Max Ophüls Preis 2005 mit dem Förderpreis Spielfilm ausgezeichnet wurde. Am Ende kommen Touristen feierte dann gleich seine Weltpremiere auf dem 60. Filmfestival in Cannes in der Sektion "Un certain regard".

Natürlich geht es in Am Ende kommen Touristen auch um Vergangenheit und deren Bewältigung. In Nebenplots durchzieht das Thema kontinuierlich den Film. Aber eigentlich hat Thalheim einen Film über die Gegenwart gemacht, über die Menschen im Oswiecim des 21. Jahrhunderts. Es geht vor allem um die Wirkungen der Vergangenheit auf das Heute, die immer noch präsent ist und die Gegenwart für immer zu verdrängen scheint. So als könne dort nichts mehr normal sein. Dabei ist Thalheims Film überhaupt nicht aufdringlich, das ist seine Stärke. Es ist ein wunderbar unspektakulärer Film, der auf keine Tränendrüsen drückt, sondern einfach zeigen und erzählen will. Das Nachdenken darüber passiert dann von alleine.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/am-ende-kommen-touristen