Donnie Darko (2001)

Mad World

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Falls es Paralleluniversen gibt, ist der Film „Donnie Darko“ in einigen von ihnen womöglich längst vergessen. Denn als er nach seiner Premiere auf dem Sundance Film Festival und nach diversen weiteren Festival-Einsätzen im Oktober 2001 in den US-Kinos anlief, war das Timing kurz nach den Terroranschlägen am 11. September denkbar schlecht. Eine düstere Erzählung, in der obendrein noch eine Flugzeugturbine vom Himmel fällt, wollte damals kaum jemand sehen. In Deutschland erschien der Film lediglich auf DVD. Im Laufe der Zeit entwickelte sich der Mix aus Coming-of-Age-Movie, Thriller und Science-Fiction allerdings erfreulicherweise zum Kult. Seine dramaturgischen, inszenatorischen und schauspielerischen Qualitäten wurden entdeckt. Nun können wir ihn, mehr als zwei Dekaden nach seiner Uraufführung, im Rahmen der Best-of-Cinema-Reihe in seiner 4K-Restaurierung auf der Leinwand erleben.

Dem Drehbuchautor und Regisseur Richard Kelly, der mit seinen (durchaus interessanten) Nachfolgearbeiten Southland Tales (2006) und The Box (2009) leider (noch) nicht an den verzögerten Triumph seines Langfilmdebüts anknüpfen konnte, gelingt es in Donnie Darko, eine rätselhafte Story zu schildern, ohne sich im Referenzieren auf das Œuvre von David Lynch zu verlieren. Die Anlehnung an moderne Klassiker wie Blue Velvet (1986) und Lost Highway (1997) geht eine stimmige Verbindung mit einer ganz eigenen künstlerischen Handschrift ein. Während etliche Werke, die um die 2000er Jahre herum gefeiert wurden, heute aufgrund ihrer veralteten CGI-Effekte oder ihrer nicht mehr zeitgemäßen Rollenbilder massiv an Reiz verloren haben, hat es Donnie Darko geschafft, sich seine Wirkmacht zu bewahren.

Der titelgebende 16-jährige Held (verkörpert von Jake Gyllenhaal) lebt mit seinen Eltern Rose und Eddie (Mary McDonnell und Holmes Osborne) und seinen Schwestern Elizabeth und Samantha (Maggie Gyllenhaal und Daveigh Chase) im suburbanen Raum von Middlesex, Virginia. Am 2. Oktober 1988 stürzt in der Nacht das Triebwerk eines Flugzeugs in das Haus der Familie Darko, mitten hinein in Donnies Zimmer. Dieser hat die Nacht indes nicht dort verbracht, sondern wacht morgens auf einem Golfplatz auf. Eine gruselige Stimme hatte ihn aus dem Haus gelockt. Dahinter verbirgt sich offenbar Frank (James Duval), ein junger Mann in einem monströs anmutenden Hasenkostüm.

Wir erfahren, dass Donnie bei Dr. Lilian Thurman (Katharine Ross) in psychiatrischer Behandlung ist und Tabletten einnimmt. Durch weitere Halluzinationen gelangt der Jugendliche zur Überzeugung, dass das Ende der Welt in 28 Tagen kommen wird. Via Hypnose möchte die Therapeutin den Zustand ihres Patienten ergründen. Derweil lernen wir das restliche Personal des Films kennen – etwa den Life-Coach Jim Cunningham (Patrick Swayze), dessen Ratgeberplattitüden von der strengen Lehrerin Kitty Farmer (Beth Grant) verbreitet werden, und Donnies neue Mitschülerin Gretchen Ross (Jena Malone), mit der Donnie bald eine Beziehung eingeht.

Mit originellen Kamerafahrten und -perspektiven, einer Mischung aus Slow-Motion- und Zeitraffertechnik sowie einem superben Soundtrack zeigt uns Kelly den Kleinstadt- und Highschool-Kosmos. Im Gegensatz zu anderen Filmen, die ihren Plot in eine vergangene Ära verlegen, steht hier nicht die Nostalgie im Zentrum; vielmehr wird eine Zeitlosigkeit erreicht – was in einer Geschichte über Zeitreisen eine beachtliche Leistung ist.

Wenn die neue Lehrkraft Karen Pomeroy (Drew Barrymore) dafür bestraft wird, die für Schüler:innen angeblich schädliche Short-Story The Destructors von Graham Greene in ihrer Klasse zu lesen, ist das bis heute ein relevantes Sujet: Welche Schuld geben wir Medien am Verhalten von (jungen) Menschen? Und was wollen konservative Gruppen erreichen, wenn sie literarische Werke zu verbannen versuchen? Die Figur des Jim Cunningham, die ein finsteres Geheimnis hütet, und die bedingungslose Anhängerin Kitty sind in ihrer bigotten Geisteshaltung erschreckenderweise immer noch sehr treffende Varianten realer Personen, die in den Vereinigten Staaten und in anderen Teilen der Welt viel Einfluss haben – und sich schnell als Opfer von Verschwörungen sehen, wenn sie diese zu verlieren drohen.

„It’s a very, very mad world“, heißt es im Song von Tears for Fears, der für den Film von dem Komponisten Michael Andrews und dem Musiker Gary Jules neu aufgenommen wurde. Dieser Aberwitz vermittelt sich, wenn es um Portale und Wurmlöcher geht und die Grenzen zwischen Imagination und Wirklichkeit zunehmend verschwimmen. Dennoch ist Donnie Darko kein Werk, das einfach nur aus reinem Selbstzweck möglichst abgedreht daherkommt. Das Skript und dessen Umsetzung wirken durchdacht und clever; die Figuren sind mit Raffinesse gezeichnet und werden eindrücklich gespielt.

Neben Ex-Jungstars aus früheren Jahrzehnten wie Katharine Ross (Die Reifeprüfung), Drew Barrymore, Patrick Swayze und James Duval (Totally F***ed Up) brillieren insbesondere die damaligen Nachwuchstalente Jena Malone und Jake Gyllenhaal. Letzterer lässt den Protagonisten derart furios zwischen ängstlichem, nachdenklichem Heranwachsendem und sinister dreinblickendem Outsider changieren, dass sein anschließender Aufstieg in die A-Liga Hollywoods absolut nicht überrascht.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/donnie-darko-2001