Walk Hard: Die Dewey Cox Story

Die wirklich wahre Geschichte des Rock `n´ Roll

Eine Filmkritik von Red.

Sie kennen den legendären Dewey Cox nicht? Den Superstar des Rock `n´ Roll, das Tier mit der unglaublichen Wirkung auf Frauen, das Chamäleon der Popmusik, das nahezu jeden Trend mitmachte und zu neuer Blüte brachte? Nun, das ist keine Bildungslücke, sondern hat eine ganz einfache Erklärung – Dewey Cox gab es niemals, er ist eine Erfindung. Aber was für eine.
Was am Ende von einem Leben übrig bleibt, das lässt sich manchmal in einige wenige Zahlen fassen. Im Falle von Dewey Cox (John C. Reilly) sind es 411 Frauen, mit denen er schlief, 22 leibliche Kinder und eine Unzahl von Drogen und Hits, von denen es vor allem der Song Walk Hard in den Rock `n´ Roll-Himmel geschafft hat. Dabei hatte es Dewey von Anfang an nicht gerade leicht. Geboren in den entbehrungsreichen vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts im armen Süden der USA – wo anders kann ein Musiker seine Wurzeln haben? – steht Dewey (Conner Rayburn spielt den kleinen Dewey Cox) von Anfang an im Schatten seines älteren und talentierteren Bruders Nate (Chip Hormess) – bis er eines Tages im Spiel mit einer Machete den familiären Konkurrenten aus Versehen in zwei Stücke teilt. Das Trauma, das diesem Unfall folgt, sorgt dafür, dass der Junge fortan den Blues nicht nur hat, sondern ihn auch spielen kann. Der Beginn einer steilen Karriere.

Zunächst aber muss Dewey noch ein Weilchen darben. Er heiratet seine Freundin Edith (Kristen Wiig), setzt einen ganzen Stall voll Kinder in die Welt und schlägt sich mehr schlecht als recht durch, bis sich eines Abends in einem Club, wo er sauber macht, die Chance zu einem Auftritt bietet. Und man ahnt es bereits, dass der verhinderte Musiker die Gelegenheit beim Schopfe packt. Und von nun an geht es Schlag auf Schlag: Auf den Pfaden von Elvis der rasche Aufstieg, die ersten Hits und Groupies, das Kriseln in der Ehe, endlose Tourneen, Drogen, die ersten heftigen Abstürze, eine Sammlung exotischer Tiere, die zweite Ehe mit Darlene (Jenna Fischer),die seine große Liebe werden wird, Begegnungen mit den Beatles, mit denen Dewey nach Indien geht, krude Experimente im LSD-Rausch und schließlich eine eigene Unterhaltungsshow – das ganz normale Leben eines Rockstars also, das ihn schließlich in die Hall of Fame des Rock führt…

Der Regisseur Jake Kasdan (Sohn des Filmemachers Lawrence Kasdan) und sein Produzent und Drehbuchautor Judd Apatow (Beim ersten Mal, Jungfrau (40) männlich sucht und Ricky Bobby - König der Rennfahrer) unternehmen in ihrem ziemlich durchgeknallten Fake-Biopic eine Reise durch die Geschichte der US-amerikanischen Popmusik, die sich an den Biographien zahlreicher Stars orientiert und schamlos Fiktion und Fakten durcheinander mischt. In der Literatur hat der französische Schriftsteller und Grafiker Roland Topor in seinen Memoiren eines alten Arschlochs bereits die Richtung vorgegeben, wie man sich auf satirische Weise mit dem Biographien-Wahn der Medien auseinander setzen kann: Man nehme eine erfundene Figur, verbinde sie mit möglichst vielen realen Promis und behaupte dreist, dass diese Innovation oder jenes große Kunstwerk natürlich auf Initiative des verkannten fiktiven Genies entstanden sei. Ein einfaches Rezept, das auch in Walk Hard: Die Dewey Cox Story bestens funktioniert.

Das Schöne bei all diesen Übertreibungen ist, dass sie stets ein gehöriges Maß an Wahrheit enthalten und die Mechanismen des Show-Business sowie die Selbstgenügsamkeit und den Narzissmus der Branche gnadenlos offen legen. Und wenn man aus Filmen wirklich etwas lernen könnte und würde, dann wäre die unglaubliche Geschichte von Dewey Cox wohl zugleich die Mutter aller Biopics über Musiker und deren Endpunkt: Denn mehr Entlarvendes über das Genre gibt es kaum mehr zu sagen und zu zeigen.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/walk-hard-die-dewey-cox-story