Unsere Erde (2007)

Das Wunder Leben

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Alastair Fothergill ist kein Unbekannter, was spektakuläre Naturdokumentationen anbelangt. Der studierte Zoologe, der 1983 zur Natural History Unit (NHU) der BBC stieß, realisierte zahlreiche Aufsehen erregende Naturdokumentationen, bevor er zum Leiter der NHU ernannt wurde. 1998 trat er von seinem Amt zurück und widmete sich ausschließlich der Arbeit an dem Film Deep Blue, der mit bislang nicht gesehenen Bildern das Leben in den Ozeanen einfing. Sein neuer Film Unsere Erde / Earth wurde zugleich als Dokumentation und als TV-Serie konzipiert mit dem Titel Planet Erde / Planet Earth und konnte auf ein für Dokumentarfilme riesiges Budget zurückgreifen. Insgesamt waren 40 Kamerateams an 206 Drehorten in 60 Ländern unterwegs, 4000 Drehtage kamen so zusammen, davon 250 Drehtage in der Luft. Kein Wunder also, dass das Unternehmen insgesamt mehr als 40 Mio. Euro Produktionskosten verschlang. Auf diese Weise entstanden 1000 Stunden Filmmaterial – selten konnte ein Regisseur beim Schnitt so aus dem Vollen schöpfen. Der Aufwand ist dem Film deutlich anzusehen, noch nie hat man beeindruckendere Bilder des Lebens auf der Erde gesehen.

Der Film eine Reise vom Nord- zum Südpol, die Leben spendende Kraft der Sonne ist sozusagen das Leitmotiv, das den Gang der „Handlung“ bestimmt. Die Filmemacher folgen dem Überlebenskampf von Eisbären in der arktischen Kälte, zeigen eine riesige Herde kanadischer Karibus in den Weiten Kanadas, die von Wölfen gejagt werden und streifen die Taiga mit Flora und Fauna, bevor es in gemäßigtere Gefilde geht. Je wärmer das Klima wird und je länger die Sonne scheint, desto andersartiger werden die Probleme, mit denen die Tiere zu kämpfen haben. So folgt der Film einem beinahe endlosen Treck von Elefanten durch die Wüste Kalahari auf der Suche nach Wasser, bis endlich das rettende Nass erreicht ist. Überhaupt sind das Überleben und die enormen Anstrengungen, die die Tiere dafür auf sich nehmen müssen, so etwas wie der Grundtenor des Films, und subtil eingestreut ohne erhobenen Zeigefinger wird immer wieder darauf hingewiesen, wie fragil und gefährdet das Gleichgewicht auf der Erde und wie groß damit die Verantwortung der Menschheit für dieses Wunder ist.

Die Fülle an Landschaften und Tieren unterschiedlichster Gattungen ist gewaltig, und gerade Kinder dürften bei diesem Film aus dem Staunen nicht herauskommen – die Bilder tun ihr Übriges dazu, Ehrfurcht und Freude aufkommen zu lassen. Und da brutale Szenen weitestgehend ausgespart wurden, eignet sich der Film bestens dafür, das Kino mit der ganzen Familie aufzusuchen. Bei so viel Licht gibt es aber auch ein klein wenig Schatten, und der findet sich vor allem auf der Tonebene wieder: Auch wenn es mittlerweile zu den Konventionen gehört, bei solch bildgewaltigen Dokumentationen auf musikalische Begleitung durch klassische Klangkörper zu setzen – der Score der Berliner Philharmoniker gerät reichlich pathetisch und will nicht immer gut zu den sowieso schon beeindruckenden Filmbildern passen. Etwas mehr Zurückhaltung und Vertrauen auf die Wahrnehmungsfähigkeit der Zuschauer wäre in diesem Fall besser gewesen.

Trotzdem ist Unsere Erde / Earth ein atemberaubendes Porträt unseres Planeten und schärft das Bewusstsein dafür, wie sehr unsere Heimat bedroht ist durch Klimaerwärmung, Umweltzerstörung und andere menschliche, allzu menschliche Dummheiten.
 

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/unsere-erde-2007