Das Beste kommt zum Schluss

Schöner sterben mit Jack und Morgan

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Wenn man einer Statistik Glauben schenken darf, die auch im Laufe des Films zitiert wird, würde es die überwältigende Mehrheit der Menschen ablehnen, im Voraus den genauen Zeitpunkt des eigenen Todes zu erfahren. So viel Glück der Unwissenheit ist dem Milliardär Edward Cole (Jack Nicholson) und dem braven Automechaniker Carter Chambers (Morgan Freeman) nicht vergönnt. Die beiden grundverschiedenen Männer lernen sich eher unfreiwillig im Krankenhaus kennen, wo sie mit denkbar schlechter Prognose ein Zimmer miteinander teilen. Beide haben Krebs und nur noch wenige Monate, maximal ein Jahr zu leben. Aus einer Laune heraus fertigt Carter eine "Löffelliste" an, die all die Dinge aufzählt, die er noch erleben möchte, bevor er "den Löffel abgibt". Aus der intellektuellen Spielerei wird Ernst, als Edward die Liste in die Hand bekommt und seinen Leidensgenossen dazu überredet, die einzelnen Punkte auf der Liste abzuhaken, solange man dazu noch in der Lage ist. Also machen sich die beiden, begleitet von Edwards Assistenten Thomas (Sean Hayes), zum Entsetzen von Carters Ehefrau Virginia (Beverly Todd) auf den Weg, um den Glücksmomenten nachzujagen, die sie für unverzichtbar halten. Doch bald schon zeigt sich, dass manche der selbst gestellten Aufgaben sich auch mit Edwards Reichtum nicht erkaufen lassen…
In den Achtzigern und Neunzigern zählte der Regisseur Rob Reiner mit Filmen wie Stand by me – Geheimnis eines Sommers / Stand by me (1985), Harry und Sally / When Harry meets Sally (1989), Misery (1990), Eine Frage der Ehre / A Few Good Men (1992) zu den erfolgreichsten Filmemachern Hollywoods. In den letzten Jahren ist es etwas ruhiger um Reiner geworden, doch nun sorgt sein neuer Film in den USA für gespannte Erwartung und einige Hoffnungen auf ein gutes Ergebnis an den Kinokassen, was nicht nur an den beiden Hauptdarstellern Jack Nicholson und Morgan Freeman liegt, sondern auch an dem Stoff, der auf den ersten Blick ebenso ernsthaft wie lustig erscheint. In den USA startet der Film passend zum Thema in der Woche vor Weihnachten und könnte einer der Renner des Weihnachtsgeschäfts werden.

Ob dies allerdings in den deutschen Kinos wiederholbar ist, erscheint mehr als fraglich, was mehrere Gründe hat: Da sind zunächst einmal die beiden Hauptdarsteller, die wie gewohnt agieren – während Jack Nicholson das berühmte wölfische Grinsen selbst beim Kotzen nach der Chemotherapie kaum ablegen kann, ist Morgan Freeman der Inbegriff des aufrecht, lebensklugen und moralisch gefestigten einfachen Mannes, der im Leben alles richtig gemacht hat und der selbst angesichts der nahenden Todes nicht im Traum daran denkt, seine Frau zu betrügen. Dass Carter also derjenige sein wird, der die Reise, in deren Verlauf die Löffelliste abgearbeitet werden soll, als erster abbricht, ist mehr als logisch, schließlich hat er ein Zuhause, eine Familie oder mit anderen Worten: Er hat etwas wirklich Bleibendes hinterlassen – eine Erfahrung, die Edward Cole erst noch machen muss. Dass es ausgerechnet dem schroffen Milliardär vergönnt ist, die Liste mit den vermeintlich schwierigsten Aufgaben zu vollenden, folgt ganz der Logik des Films, dass Carter der wirklich Reiche der beiden ist und Edward ein emotionaler armer Schlucker. Angesichts von Neiddebatten und einer sich immer weiter öffnenden Schere zwischen arm und reich wirkt das wie purer Sozialkitsch der naivsten Sorte, der suggeriert, dass nicht nur das Beste, sondern dass auch die Abrechnung ganz zum Schluss kommt.

Keine Frage: Das Beste kommt zum Schluss / The Bucket List ist perfekt gemachtes Hollywood-Kino mit einwandfreier Moral und – zumindest im Original – teilweise treffenden und witzigen Dialogen. All dies kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Rob Reiners Tragikomödie sattsam bekannte Muster routiniert abspult und selbst Leinwand-Titanen wie Jack Nicholson und Morgan Freeman auf Stereotypen reduziert, die hier nicht wirklich gefordert werden. Angesichts des durchaus ernsten Themas, das beispielsweise vor einigen Jahren Isabel Coixet mit Mein Leben ohne mich / My Life without Me auf sehenswerte und ganz und gar unkitschige Weise aufgriff, ist Reiners Film akzeptabel, mehr aber auch nicht.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/das-beste-kommt-zum-schluss