Operation Walküre - Das Stauffenberg Attentat

History light und ohne Nebenwirkungen

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Was wurde über diesen Film im Vorfeld nicht alles geschrieben. Spätestens seit bekannt wurde, dass Tom Cruise in Bryan Singers Werk die Hauptrolle von Claus Schenk Graf von Stauffenberg übernehmen sollte, schlugen die medialen Wellen der Empörung und Verteidigung so richtig hoch. Berichte über Unfälle am Set, Spekulationen über den Einfluss des Schauspielers, Produzenten und bekennenden Scientologen Cruise auf den Stoff und verweigerte Drehgenehmigungen im Bendler-Block in Berlin sowie Panikmeldungen über zerstörte Negative wechselten sich mit Vorabverteidigungen und dem Bambi für besonderen Mut an Tom Cruise ab - was für ein Theater. Für die Schlusspointe sorgten FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher und Florian Henckel von Donnersmarck, die den Film im Vorfeld ebenso in den Himmel lobten, wie ihn andere zuvor niedergeschrieben haben.
So muss man fast froh sein, dass nun nach viel Spekulation der Film endlich auf der großen Leinwand zu sehen ist. Und ebenso beruhigend zu wissen, dass weder die Jubler noch der große Chor der Pessimisten Recht behalten haben. Denn Operation Walküre – Das Stauffenberg-Attentat / Valkyrie ist im Großen und Ganzen gelungenes Mainstream-Kino mit all dem, was einen echten Hollywood-Film ausmacht – Action-Szenen, ein aufrechter Held und eine packende Geschichte. Das Problem dabei ist nur, dass diese Geschichte wahr ist und zudem einen der sensibelsten Punkte der deutschen Vergangenheit berührt – das Attentat auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 und der seitdem andauernde Streit über Zaudern und Zögern, über Verantwortung, Treue, Ehre, Loyalität und das eigene Gewissen. Und die Scham, dass es so lange gedauert hatte, bis sich Offiziere und Politiker zum Handeln entschlossen haben – als die Niederlage des Deutschen Reiches sich bereits nicht mehr aufhalten ließ.

Die Geschichte um Claus Schenk Graf von Stauffenberg (Tom Cruise spielt den Offizier aus schwäbischem Adel mit großer Zurückhaltung und ähnelt in manchen Einstellungen dem historischen Vorbild frappant) dürfte in weiten Teilen bekannt sein. Singers Erzählung setzt im Jahre 1943 ein, als Stauffenberg an der Front in Nordafrika schwer verletzt wird und seine rechte Hand sowie sein linkes Auge und zwei Finger der linken Hand verliert. Bereits vor seiner Verwundung hatte er, der zuvor überzeugte Nationalsozialist, Zweifel am Führer gehegt und all seine Autorität darauf verwendet, die von ihm kommandierten Männer gesund nach Hause zu bringen. Nach der Genesung von der schweren Verletzung gerät Stauffenberg in den Kreis um den Generalmajor Henning von Tresckow (Kenneth Branagh) und den Leiter des Allgemeinen Heeresamtes General Friedrich Olbricht (Bill Nighy), die gemeinsam mit anderen Verbündeten – unter ihnen neben zahlreichen Militärs auch der Politiker Carl-Friedrich Goerdeler (Kevin McNally) – seit langem schon ein Attentat auf den Führer planen. Doch die Gruppe ist uneins über das Vorgehen, zudem fehlt es am direkten Zugang zu Hitlers innerstem Kreis. In dieser Situation erweist sich Stauffenberg als der ideale Mann, der schnell die Führung an sich reißt und mit großem Organisationstalent den kühnen Plan des Putsches ausarbeitet. Und zudem ist Stauffenberg bereit, das Attentat selbst durchzuführen – als Stabschef des Allgemeinen Heeresamtes hat er Zugang zu den Lagebesprechungen des Führers in der Wolfsschanze. Nach einem missglückten ersten Versuch, der abgebrochen wurde, gelingt es Stauffenberg am 20. Juli, die Bombe zu zünden und nach Berlin zu entkommen. Doch Hitler überlebt den Anschlag und der Plan zur Besetzung zentraler Positionen in Berlin misslingt...

Operation Walküre – Das Stauffenberg-Attentat / Valkyrie taugt als Einführung in den deutschen Widerstand – allerdings nur auf vergleichsweise niedrigem, immerhin aber recht unterhaltsamen Niveau. Denn was der Film vollkommen außer Acht lässt, ist das mittlerweile vielschichtige Bild, dass der Kreis um Henning von Tresckow und Claus Schenk Graf von Stauffenberg bietet. Anfangs überzeugt vom Nationalsozialismus und bis zuletzt durchdrungen vom preußischen Offiziersethos schwankten die Pläne der Attentäter für ein Deutschland nach dem Tode von Adolf Hitler zwischen verschiedenen Optionen – eine parlamentarische Demokratie lehnte Stauffenberg strikt ab, setzte sich aber gleichzeitig leidenschaftlich für den Sozialdemokraten Julius Leber ein. Ähnlich heterogen war auch die Zusammensetzung der Gruppe; neben überzeugten Demokraten und enttäuschten Offizieren gab es auch einige stramme Antisemiten und Kriegsverbrecher wie Arthur Nebe, Wolf-Heinrich Graf von Helldorf und Generalquartiermeister Eduard Wagner, die zum Kreis der Verschwörer zählten. Von all diesen Ambivalenzen ist in Bryan Singers Film nur sehr wenig zu spüren. Und von Stauffenbergs Wandlung vom glühenden Verehrer der Nationalsozialisten zum erbitterten Feind erst recht nichts.

Stattdessen erscheint Stauffenberg in Singers Film als aufrechter Held, der im Verlauf der Geschichte beinahe selbst zu einer charismatischen Führergestalt wird. Was aber niemand groß zu stören scheint. Umgeben von Feiglingen, Zauderern wie Olbricht und schwadronierenden Politikern wie Goerdeler (der die vielleicht undankbarste Rolle innehat) sind es vor allem seine Planungen, sein Mut und seine Überzeugungen, die die Operation Walküre vorantreiben. Zweifel, Schuldgefühle über die lange Zeit, in der man die Nationalsozialisten gewähren ließ – all dies sucht man in dieser Figur vergebens. Mag sein, dass das einem Hollywood-Helden in einem Action-Film entspricht, der historischen Figur Stauffenbergs, der seine Überzeugungen vor allem aus seinem katholischen Glauben ableitete, wird diese grob vereinfachende Zeichnung nicht gerecht. Und so lassen sich mit Sicherheit noch zahlreiche kleinere historische Fehler finden, die Historiker werden sich bestimmt mit Feuereifer auf die Knobelarbeit stürzen, um das eine oder andere Fleißsternchen zu erhaschen. Immerhin sorgt der Rummel um den Film auch für eine erhöhte Aufmerksamkeit für die sonst eher im akademischen Vakuum operierenden Wissenschaftler.

Dabei darf man allerdings eines nicht übersehen: Operation Walküre – Das Stauffenberg-Attentat / Valkyrie ist trotz des Zeitbezuges vor allem ein erstaunlich nüchterner Thriller, der auf einer wahren und ziemlich bedeutsamen historischen Begebenheit beruht und der die entscheidenden Stunden ganz und gar untypisch vor allem als bürokratischen Akt schildert. In Deutschland, spottete Lenin einst, sei eine Revolution vor allem deshalb schwierig, weil die Revolutionäre immer erst eine Bahnsteigkarte lösen würden, bevor sie den Bahnhof stürmen. Bei dem Putschversuch am 20. Juli 1944 war das nicht viel anders. Ohne Befehl, und zwar schriftlichen, am besten vom direkten Vorgesetzten ging da gar nichts. Kein Wunder, dass solch ein Vorgehen scheitern musste.

Operation Walküre – Das Stauffenberg-Attentat / Valkyrie will unterhalten und er will Menschen – vor allem in den USA und anderswo auf der Welt – zeigen, was die Männer um Claus Schenk Graf von Stauffenberg gewagt haben. Und diese Mission hat der Film bereits jetzt erfüllt. Er wird den Deutschen nicht ihre Geschichte erklären. Er wird auch nicht das Bild Deutschlands in der Welt grundlegend verändern. Ein meist spannender und zuweilen etwas naiver Film ist er aber auf jeden Fall. Die Diskussionen im Vorfeld hätte man sich jedenfalls schenken können. Und nun zurück zur Tagesordnung...

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/operation-walkuere-das-stauffenberg-attentat