No Country for Old Men

Blutspuren

Eine Filmkritik von Markus Fritsch

Eine dicke Blutspur durchzieht den Film. Diese verrät gnadenlos das verwundete Opfer und bringt den Killer auf die Spur. Der Killer ist in diesem Film ebenso kaltblütig wie grausam und mysteriös. Er ist die Gewalt, die außer Kontrolle geraten und nicht mehr einzudämmen ist.
Noch bevor die Handlung beginnt, sinniert der alternde und desillusionierte Sheriff Bell (Tommy Lee Jones) aus dem Off über die sinnlose Gewalt mit der er nicht mehr zurecht kommt. Dazu werden archetypische Bilder einer gottverlassenen Steppenlandschaft im Westen von Texas gezeigt. Obwohl der Film in den achtziger Jahren spielt, beginnt er wie ein Western, indem auch das Gesetz vor der Gewalt resigniert. Llewellyn Moss (Josh Brolin), Vietnam-Veteran und Hobby-Jäger, trifft auf ein seltsames Szenario: mitten in der kargen Landschaft steht ein Pickup-Truck, um welchen eine ganze Horde Männer, von Kugeln durchsiebt, tot daliegen. Nur ein Mann ist noch am röcheln. Moss findet auf der Ladefläche des Lasters eine Lieferung Heroin und in einem Koffer zwei Millionen Dollar in Bar. Er nimmt das Geld an sich und macht sich aus dem Staub. In derselben Nacht kehrt er noch einmal zu dem Ort des mysteriösen Massakers zurück, um dem Überlebenden zu helfen. Doch er wird von unbekannten Männern unter Beschuss genommen. Es kommt zu einer Hetzjagd. Mit großer Mühe kann sich Moss vor den Verfolgern und einem beißwütigen Hund retten. Er kapiert, dass man nicht so einfach mit Drogen-Geld verschwinden kann. Nun versucht er sich mit dem Geld und seiner Frau (Carla Jean) in Sicherheit zu bringen. Zwei Gegenspieler hat er. Zum einen Sheriff Bell, der ihn am liebsten in Schutzhaft nehmen würde, zum anderen den eiskalten Serienkiller Anton Chigurh (Javier Bardem), der mit einem Münzwurf über Leben und Tod entscheidet. Wo Chigurh auftaucht, lauert die unbarmherzige Gewalt. Er ist der Tod. Lautlos bewegt er sich und findet zielsicher seine Opfer, die er ohne großes Zögern umbringt. Schon in der Einführung dieser Figur sieht der Zuschauer, zu was für einem brutalen Handeln Chigurh fähig ist. Mit seinen Handschellen erdrosselt er einen Polizisten. Um einen Fluchtwagen zu bekommen, setzt er ein Bolzenschussgewehr ein. Wahllos mordend, zieht er eine Blutspur hinter sich her. Während Moss auf der Flucht immer mehr seine Identität verliert und von einem Motel ins nächste hetzt, schließt sich die Schlinge um ihn immer enger.

No Country for Old Men ist mit Abstand der gewalttätigste Film von Joel und Ethan Coen (u.a. Fargo, The Man who wasn`t there, O Brother, where Art Thou?). Trotzdem gleitet der Film nicht in eine Splatter-Orgie ab, sondern dient als Stilmittel des Thriller-Genres. Oft wird die Gewalt, typisch für die Coen-Brüder, mit schwarzem Humor inszeniert, so dass dies wie eine Verneigung vor Sam Peckinpha wirkt. Häufig werden Western-Mythen zitiert. Eine Sehnsucht nach einer Zeit in der das Gesetz, verkörpert durch den gutmütigen Sheriff Bell, mehr Macht hatte. Tommy Lee Jones (Auf der Flucht) ist diese Rolle wie auf den Leib geschrieben. Seine Rolle ist eine Charakterstudie und als sympathischer Gegenspieler zu dem Killer zeigt er eine großartige Leistung. Javier Bardem (Das Meer in mir / Mar Adentro) als Killer ist eine Hauptattraktion des Films. Wie er sich schattenhaft bewegt und zynisch fordernd auf seine Opfer einredet, ist schauspielerisch eine Meisterleistung. Je länger der Film läuft, desto stärker drängt seine Rolle in den Mittelpunkt. Umso bedrückender wirkt das abrupte Ende des Films. Das Menschliche verliert gegen die Gewalt. Zurück bleiben ein Haufen Leichen.

Joel und Ethan Coen ist wieder ein außergewöhnlich guter Film gelungen, der hohe Thriller-Spannung und epischen Western-Stil vereint. Der Film basiert auf dem gleichnamigen Roman des amerikanischen Autors Cormac McCarthy. Coen-Fans werden begeistert sein, Thriller-Fans ist der Film ebenfalls zu empfehlen, zart besaitete Kinogänger sollten lieber zu Hause bleiben.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/no-country-for-old-men