The Happening

Filmische Bankrotterklärung

Eine Filmkritik von Florian Koch

Wie man innerhalb kürzester Zeit seinen Ruf verspielt, zeigt die Karriere von Regisseur M. Night Shyamalan. Einstmals als Wunderkind für sein Debüt The Sixth Sense (1999) gefeiert, stieg er nach dem veritablen Hit Unbreakable (2000) mit Signs (2002) zum bestbezahlten Drehbuchautor der Welt auf. Sein Name stand für verstörende Mysterythriller, die mit einer entscheidenden Plotwendung gegen Ende überraschten. Zwar würde man Shyamalans Werken Unrecht tun, sie nur auf diese Formel herunterzubrechen, aber bereits sein vorletzter Film The Village (2004) führte bei vereinzelten Kritikern gerade wegen des problematisch-obligatorischen Schlussdrehs zu wahren Hasstiraden, die in dieser Schärfe rückblickend völlig ungerecht erscheinen. Erst mit seinem manierierten Totalflop Lady in the Water (2006) verlor Shyamalan endgültig jeden Kredit. In einer ermüdenden Rechtfertigungsorgie legte er sich selbstherrlich, inklusive Buchveröffentlichung, mit dem produzierenden Disney-Studio an und wurde prompt mit der Goldenen Himbeere zum schlechtesten Regisseur des Jahres "ausgezeichnet".
Der apokalyptische Endzeitthriller The Happening ist wohl Shyamalans letzte Chance auf ein Comeback. Wie gehabt gab der gebürtige Inder im Vorhinein den Geheimniskrämer, als es um den Inhalt seines neuen Werks ging. Klar war nur, dass es sein erster Film mit einem harten R-Rating werden sollte und ihm eine Die Vögel-Variation von Vorbild Sir Alfred Hitchcock vorschwebte. Bereits die ersten Trailer machten Lust auf mehr und auch die Film-Prämisse klang äußerst viel versprechend.

Mitten in den Parks der US-Großstädte New York und Philadelphia kommt es zu bizarren Massenselbstmorden. Die Ereigniskette bleibt dabei immer gleich. Erst pfeift ein scharfer Wind durch die Bäume, dann sprechen die Menschen plötzlich wirres Zeug, erstarren, fangen an rückwärts zu laufen und suchen schlussendlich nach jeder sich bietenden Möglichkeit sich umzubringen. Diese verstörenden Anfangs-Sequenzen verlieren ihre ganze Wirkung, als Shyamalan seine Hauptfiguren ins Spiel bringt. Der Biologie-Lehrer Elliot Moore (Mark Wahlberg) warnt bereits im Unterricht vor unerklärlichen Naturphänomenen, kann sich das erschütternde Massensterben an der Ostküste Amerikas aber nicht erklären. Gemeinsam mit seiner ihm entfremdeten Frau Alma (Zooey Deschanel), Arbeitskollege Julian (John Leguizamo) und dessen Tochter Jess (Ashlyn Sanchez) ergreift er die Flucht aufs Land. Als ihr Zug in der Einöde stehen bleibt ist das Quartett mit den anderen Fahrgästen auf sich gestellt. Ohne Kontakt zur Außenwelt fliehen sie zu Fuß. Doch selbst in der spärlich besiedelten Provinz entdecken sie die ersten Leichenberge.

Ohne Shyamalans prominenten Namen hätte kein Studio für diesen erschreckend sinnfreien, substanzlosen und leider auch spannungsfreien Mystery-Schrott grünes Licht gegeben. Am schlimmsten trifft es den fehlbesetzten Mark Wahlberg, der stirnrunzelnd durch die Gegend irrt und sogar anfängt Zimmerpflanzen mit "Bitte tut uns nichts!" anzuflehen. Schockierend an Shyamalans katastrophalem Drehbuch sind die merkwürdig-unbeholfenen Dialoge, die in den meisten Momenten voll von unfreiwilliger Komik sind. Immer wieder wälzen Alma und Elliot Beziehungsprobleme in höchster Gefahr. Obwohl man eigentlich gar nicht von Problemen sprechen kann, wenn die häufig minderbemittelt auftretende Alma sich unter Tränen entschuldigt, dass sie sich mit Arbeitskollege Joey mal länger zum Essen getroffen hat und ihrem Mann nichts davon erzählt hat. Joey taucht übrigens niemals auf und das ist auch besser so, weil ihn sonst wohl Shyamalan in seinem obligatorischen, an Hitchcock erinnernden Gastauftritt selbst gespielt hätte. Denn im Abspann steht bei den Credits tatsächlich hinter Joeys Name: M. Night Shyamalan.

Aber wenn es nur das Dialog-Problem wäre. Selten schlichen sich peinlichere Logikfehler in eine Großproduktion als in The Happening. Am "eindrucksvollsten" ist hier die Sequenz, nachdem die Fahrgäste den Zug verlassen haben. Alles ballt sich in einem Restaurant, aber als man von der Ausbreitung der Epidemie hört, fliehen die Kunden, und das bereits erwähnte Quartett sieht ihnen dabei zu, wie sie zu Dutzenden mit den Autos davon fahren. Nur wo kamen die Leihwagen für die Zuggäste alle her? Das ist nur eine der Fragen, die Shyamalan unbeantwortet lässt.

Zum ersten Mal stört auch der James Newton Howard-Soundtrack, der bei The Village noch so großartig für Stimmung sorgte. Jede noch so banale Szene wird mit penetrantem Streichereinsatz aufgeladen, aber es fehlt dabei völlig der Szenenbezug.

Wahrscheinlich wollte Shyamalan die packende Endzeitatmosphäre der Stephen King Verfilmung The Mist erreichen, doch zwischen diesen beiden Arbeiten liegen Welten. Auch das hohe Budget von 57 Millionen Dollar (zu Großteil von Bollywood-Produzenten stammend) wird auf der Leinwand niemals sichtbar.

Shyamalans Spiel mit gängigen Angstmotiven eines möglichen Terrorangriffs oder mit den möglichen Auswirkungen einer Klimakatastrophe bleibt platt. Ein prominent ins Bild gesetztes Atomkraftwerk und lächerliche Erklärungsmodelle über eine Pflanzenverschwörung reichen einfach nicht aus, um den halbwegs intelligenten Zuschauer zu schockieren. Mit The Happening geht nicht die Welt unter, wohl aber die Karriere von M. Night Shyamalan.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/the-happening