Lauf um dein Leben - Vom Junkie zum Ironman

Eine unglaublich wahre Geschichte

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Aus der Drogenhölle auf die höchste Stufe des Leistungssports – das klingt auch heute noch wie ein Märchen, das es nur im Kino zu sehen gibt. Zumal die Schlagzeilen um das massenhafte Doping von Radfahrern und anderen Spitzensportlern beinahe die Schlussfolgerung nahe legen, dass Sport und Chemikalien sowieso untrennbar miteinander verbunden sind. Die (übrigens wahre) Geschichte um den Ironman Andreas Niedrig, der in den Neunzigern wie ein Phoenix aus der Asche die internationale Triathlon-Szene aufmischte, beweist durchaus, dass sauberer Sport möglich ist und taugt nicht nur deshalb als Vorbild.
Irgendwo im Ruhrgebiet Mitte der Achtziger: Andreas (Max Riemelt), Motte (Robert Gwisdek, Sohn der beiden Darstellergrößen Corinna Harfouch und Michael Gwisdek), Ismail (Ismail Deniz) und Kurt (Axel Stein) sind die Fantastischen Vier, wie sie sich selbst nennen – eine unzertrennliche Clique, bei der sich jeder auf den Anderen verlassen kann. Gerade haben sie die Schule hinter sich gebracht, doch einen richtigen Job hat keiner der Vier in Aussicht. Also hängen sie gemeinsam ab, klauen dann und wann mal ein paar Schallplatten, düsen nach Amsterdam, um Gras zu besorgen und träumen von der großen Freiheit in der Ferne. All das ändert sich, als Andreas Sabine (Jasmin Schwiers) kennen lernt und sich Hals über Kopf in sie verliebt. Und als seine Angebetete ein Kind von ihm erwartet, zögert er keine Sekunde, Sabine zu heiraten und sich fortan dem Familienleben zu widmen. Die Kumpels sind sauer – für sie ist das ein Verrat an der Clique.

Bald schon stellt sich heraus, dass das Familienleben so gar nichts für Andreas ist, schnell schließt er sich wieder der Clique an, die mittlerweile von Gras auf Heroin umgestiegen ist, bis ihn Sabine vor die Tür setzt. Anfangs macht das Andreas nichts aus, doch mit den harten Drogen verändert sich auch die Freundschaft der Vier. Plötzlich geht es nur noch um den nächsten Schuss und darum, das Geld für das H. irgendwoher zu bekommen. Als Kurts Freundin Pia an einer Überdosis stirbt und Motte ebenfalls den Absprung nicht schafft, begreift Andreas endlich, dass es so nicht weitergehen kann. Mit der Unterstützung seines Vaters (Udo Schenk) und seines früheren Trainers Oscar (Uwe Ochsenknecht) entdeckt Andreas schließlich das Laufen für sich und verbeißt sich dermaßen in den Sport, dass er es schließlich binnen von vier Jahren sogar zum Ironman auf Hawaii schafft, wo er mit einer herausragenden Platzierung für Furore sorgt.

Wenn man nicht wüsste, dass sich diese Geschichte genauso zugetragen hat – von den üblichen dramaturgischen Verdichtungen einmal abgesehen, würde man kaum glauben, dass diese Story nicht allein der Feder eines Drehbuchautoren entstammt. Doch der Film basiert weitgehend auf Fakten und auf der Biographie von Andreas Niedrig, die im Jahre 2000 veröffentlicht wurde, als die Gerüchte um seine Vorgeschichte immer mehr überhand nahmen. Und trotz mancher notwendigen Fiktionalisierungen steht der Triathlet, der seine Karriere 2007 endgültig beendete, voll und ganz zu dem Film, der ja nichts weniger als sein Leben schildert.

Ein wenig leidet der Film und damit die Botschaft des Ganzen vor allem darunter, dass sich Lauf um dein Leben – Vom Junkie zum Ironman am Anfang zu viel Zeit lässt, um in das Milieu einzuführen, so dass der Weg in den Leistungssport und die Wettkämpfe zu kurz geraten, um wirklich die ganze Geschichte umfassend abzuhandeln. Und vielleicht liegt es auch an dieser spürbar beschleunigten Gangart des Films, dass Andreas’ eigentliche Motivation, sich solchen unvorstellbaren Quälereien auszusetzen, niemals wirklich deutlich wird, so dass man sich an dieser Stelle eine stärkere Akzentuierung seitens des Drehbuchs gewünscht hätte.

Sehenswert ist vor allem Max Riemelt, der sich heimlich still und leise zu einer der Schauspielhoffnungen für die Zukunft entwickelt. Seine Darstellung des Triathleten Andreas Niedrig ist so beeindruckend anzuschauen, dass man das Gefühl nicht loswird, hier nicht nur dem beeindruckenden Weg eines Triathleten zuzuschauen, sondern auch Zeuge einer ebenso beeindruckenden schauspielerischen Entwicklung zu sein.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/lauf-um-dein-leben-vom-junkie-zum-ironman