La Paloma

Eine Melodie geht um die Welt

Eine Filmkritik von Monika Sandmann

Auf den Spuren eines Songs macht sich die Filmemacherin Sigrid Faltin auf zu einer Reise rund um den Globus. Zum 150. Geburtstag setzt sie der weltbekannten Melodie „La Paloma“ ein Denkmal. Die Melodie ist zwar überall die gleiche, doch Inhalt, Rhythmus und Instrumente sind immer wieder anders.
Ein Hauch von Globalisierung weht durch den Film. So wie man durch Tokyo, Buenos Aires oder Berlin spazieren kann und in allen Städten die gleichen Läden findet. Modegeschäfte wie "Mango" und "H&M" oder Restaurantketten wie "McDonald's" oder "Pizza Hut". Ein Stück Heimat in der Fremde, so scheint es auf den ersten Blick. Doch auf den zweiten bemerkt man die Unterschiede. Die Kollektion ist nicht gleich, nur ähnlich. Die Burger schmecken in jedem Land ein bisschen anders.

So ergeht es auch "La Paloma". Es ist ein Abschiedslied. Ein Lied voller Sehnsucht. Die deutschen Versionen sind mit dem Norden und seinen Küsten assoziiert. Freddy Quinn sang eine und brachte sie in die Charts. Heino nahm das Lied auf. Hans Albers macht 1944 daraus eine zu Herzen gehende Abschiedsode eines Seemanns, der wieder aufs Meer muss. Goebbels verbot die Version.

"Was kann denn die Musik dafür", sagt Coco Schumann, der in Theresienstadt als "Ghettoswinger" um sein Leben musizierte, der in Auschwitz "La Paloma" spielen musste, während die Kinder in die Gaskammer geschickt wurden. In Mexiko, Mitte des 19. Jahrhunderts, war es ein Liebeslied, über das Kaiserin Carlota zu Tränen gerührt war. Die Republikaner aber verhöhnten in ihrer Version das Kaiserpaar. Eine politisch linksgerichtete, kämpferische Version macht Eugenia León im letzten Wahlkampf in Mexiko daraus.

"La Paloma" gilt als das meist gespielte Lied der Welt. Geboren wurde es auf Kuba. Der Baske Sebastián Iradier komponierte es. Ob in Sansibar, auf Hochzeiten oder in Rumänien auf Beerdigungen, weltweit gehört die Melodie zum Leben dazu.

Menschen und Geschichten aus aller Welt vereint Sigrid Faltin in ihrem Film. Immer ist die Melodie dabei. Mal kraftvoll und energiegeladen wie bei Eugenia León, oder zu Herzen gehend bei Coco Schumann. Aber auch komisch-sentimental, hört man, wie Primitivo Langarica aus dem spanischen Baskenland zu seinem Hobby, dem La Paloma-Platten-Sammeln, kam. Fast 1000 hat er zusammen. Nur eine Baskische vermisste sein alter Freund noch. Langarica suchte solange, bis er endlich eine aufgabelte. Doch sein Freund konnte sie nicht mehr hören. Er starb genau an dem Tag. Das sind Geschichten, die zu Herzen gehen. Das sind die Zuckerstückchen in La Paloma. Daneben reiht sich etliches Einerlei, 90 Minuten können mitunter zäh werden.

Zu viel Rückblick, zu viel Vergangenheit. Konserviert und bewahrt für die Nachwelt – das ist nicht das Schlechteste. Doch man vermisst das Frische, das Heutige. Da ist nur Eugenia Leóns kämpferisches La Paloma. Wo ist der Rap? Wo die Hiphop-Variante? Wo sind die jungen Leute, die La Paloma neu und aktuell interpretieren? Auch filmisch kann Faltin leider nicht überraschen. In klassischer Dokumentarmanier trifft die Kamera von Holger Schüppel auf Menschen, die mal mehr, mal weniger Tiefgründiges zu erzählen haben. Es werden Bilder von Konzerten der Protagonisten oder Filmausschnitte beigesteuert, garniert wird einer Prise Sehnsucht aus Hawai, Havanna, Sansibar und dem Banat in Rumänien.

Das interessante Sujet ergibt einen guten, aber noch keinen sensationellen Film. Dafür fehlt es am Besonderen. In der Handschrift der Regisseurin, in den Bildern, aber auch am zusammengetragenen Material.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/la-paloma