Wiedersehen mit Brideshead

Der unvermeidliche Verlust der Unschuld

Eine Filmkritik von Anne von der Gönne

Wiedersehen mit Brideshead ist die Verfilmung einer der renommiertesten Romane der britischen Literatur, vom Umfang des Werkes vergleichbar mit den hiesigen Buddenbrooks. 1945 von Evelyn Waugh veröffentlicht, löste das brisante Buch eine Reihe von Kontroversen aus.
Im Zentrum der Geschichte um eine zerfallende englische Dynastie steht das Geschwisterpaar Sebastian (Ben Whishaw) und Julia (Hayley Attwell). Der Bruder schwul, trinksüchtig und fragil, sie der Mutter (Emma Thompson) und dem katholischen Glauben hörig. Als der weniger betuchte Schulfreund Sebastians, Charles (Matthew Goode) in das Leben der adligen Familie Flyte tritt, werden neben der Verwirrung von Gefühlen auch politische und religiöse Konflikte heraufbeschworen.

Es ist ein klarer Sommertag an dem der wortkarge Charles das dunkle Haus seines Vaters in London verlässt und nach Oxford abreist, in eine Welt voller reicher, charismatischer Lebemänner, die ihn sofort in ihren Bann zieht. Schnell lernt er den Exzessivsten unter den Superreichen kennen, Sebastian Flyte dessen Homosexualität nicht zu übersehen ist. Und auch der verwöhnte Adlige möchte mehr wissen von diesem versinnten Künstler. Umso mehr Zeit und Gedanken sie teilen, desto bereiter ist Sebastian Charles auch den Bereich seines Lebens zu zeigen der ihn selbst ängstigt und er bittet ihn einen gemeinsamen Sommer auf dem prächtigen Anwesen seiner Familie zu verbringen. Fasziniert vom Prunk und der inspirativen Umgebung übersieht Charles die innige Zuneigung Sebastians und verliebt sich seinerseits in Sebastians Schwester Julia. Währenddessen beobachtet die Mutter der Familie argwöhnisch den neuen Freund ihrer Kinder, nicht da er beide verführt oder weil er vergleichsweise arm ist, sondern weil Charles nicht an den gleichen Gott glaubt. Die unbeschwerte Zeit findet ein rasches Ende.

Romanverfilmungen sind immer eine besondere cineastische Herausforderung. Zunächst gilt es die wichtigsten Handlungsstränge der Vorlage herauszufiltern. Regisseurs Julian Jarrod, der auch schon für Geliebte Jane verantwortlich zeichnet, führt die verschiedenen zeitlichen Ebenen und verworrenen Generationsbeziehungen erstaunlich mühelos zu einem stringenten, spannenden Film zusammen. Auch die Adaption des Zeitkolorits gelingt ihm. Dies ist vorrangig der herrlichen Ausstattung und dem Kostüm zu verdanken. Zuletzt wurde in Abbitte so detailliert zeitgemäß das England zwischen den Weltkriegen gezeigt. Besonders die Szenen in denen Sebastian und Charles voller Unschuld ihre Jugend sturzbetrunken in den Gärten des Chateaus der Familie Flyte genießen, begeistern nachhaltig durch wunderschöne bildliche Kompositionen. Nun könnte der Film zu einem weiteren beachtlichen Kostümfilm verkommen, wenn da nicht die herausragende Leistung von Ben Whishaw wäre. Er spielt den Abstieg des zarten Dandys zum mittellosen, schwerkranken Opfer seiner Familie mit einer solchen Intensität, dass es den Zuschauer einfach tief ergreifen muss. Whishaw erfindet eine kindliche Exzentrik voller zittriger Gesten und erschreckend konkreten Blicken. Allein schon deswegen sollte man dieses sensible und umfassende Zeitbild gesehen haben.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/wiedersehen-mit-brideshead