Burn After Reading (2008)

Im Land der coolen Idioten

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Schön, dass manche genialen Einfälle der Filmgeschichte einfach nicht totzukriegen sind. Alfred Hitchcocks MacGuffin etwa, ein handlungsauslösender Gegenstand, von dem man meist wenig bis gar nichts erfährt, erfreut sich auch nach vielen Jahrzehnten großer Beliebtheit. Als wahre Meister des MacGuffin erweisen sich wieder einmal Joel und Ethan Coen in ihrem neuen Film Burn after Reading – Wer verbrennt sich hier die Finger? / Burn after Reading, bei dem sie ausgehend vom Fund einer CD-ROM mit angeblichem Geheimmaterial die Handlung immer weiter ins Absurde treiben – zum Vergnügen der Zuschauer.

Die beiden glücklichen Finder des Datenträgers, Linda Litzke (Frances McDormand) und Chad Felsenheimer (Brad Pitt) arbeiten in einem Fitness-Studio mit dem schönen Namen „Hardbodies“ und sehen in dem Geheimmaterial endlich die Chance, den großen Coup zu landen. Doch weil Verbrecher im Universum der Coens meist selten dämliche Zeitgenossen sind, geht auch bei diesem Erpressungsversuch so ziemlich alles schief, was man sich nur denken kann. Denn der trunksüchtige Besitzer der CD-ROM, ein gefeuerter Ex-CIA-Mitarbeiter namens Osborne „Ozzy“ Cox (John Malkovich), der zudem mit seiner Frau Katie (Tilda Swinton) im Clinch liegt, denkt nicht im Traum daran, auf die tölpelhaften Erpressungsversuche einzugehen. Auch Plan B funktioniert nicht, denn der russische Geheimdienst hat für die vermeintlich brisanten Informationen nur ein kühles Lächeln übrig.

Stattdessen rufen die "Enthüllungen" den CIA auf den Plan: Doch weil niemand aus dem Wirrwarr so richtig schlau wird, beschließt man, zuerst einmal alle Beteiligten überwachen zu lassen. Allerdings ist gar nicht so einfach, in dem Durcheinander den Überblick zu behalten: Denn mit Katies Lover, dem sexsüchtigen und ziemlich paranoiden Regierungsbeamten Harry Pfarrer (George Clooney), der im Laufe eines One-Night-Stands auch auf Linda trifft, mischt auch noch ein weiterer Akteur mit...

Wahrscheinlich könnte man diesen Film auch mit verbundenen Augen allein anhand der Story und der Dialogen ohne Mühe als ein Werk aus der Hand der beiden verschrobenen Brüder Joel und Ethan Coen ausmachen. Was nun aber wirklich nicht dagegen sprechen sollte, sich diesen Film im Kino anzuschauen – im Gegenteil. Mit Sicherheit ist Burn after Reading – Wer verbrennt sich hier die Finger? / Burn after Reading nicht der ganz große Wurf der Coens geworden, doch das Werk schlägt immer noch den Großteil anderer Filme, die derzeit im Kino zu sehen sind, um Längen in Sachen schrägem Humor und cooler Nonchalance. Wie in The Big Lebowski, Fargo und dem ungleich düstereren No Country for Old Men sind es auch wieder einmal die schrägen Typen mit allen ihren kleinen und großen Marotten, die den Unterschied machen. Hypochondrie, Sexsucht, Alkoholprobleme, die lieben Mühen mit dem Alter und natürlich der alltägliche Trouble mit der Liebe sowie etliche andere Macken sind es, die diesen Film wieder einmal wie ein Panoptikum menschlicher Unzulänglichkeiten erscheinen lassen.

Dass sich hier mit George Clooney und Brad Pitt zwei der schönsten Männer Hollywoods voller kindlicher Freude am Spiel zum Deppen machen, spricht für den Kultstatus, den die Coens mittlerweile erreicht haben – schließlich fallen die beiden schönsten Männer der Filmwelt nicht gerade durch gelungene Haar- bzw. Barttracht auf. Ein wenig beunruhigt ob seines Images zeigte sich George Clooney aber schon: Denn wenn die Coens beim Schreiben ihrer Figuren bereits an ihn und Brad Pitt gedacht hätten, was sage das dann über die Schauspieler aus, ließ er auf der Pressekonferenz in Venedig mit einem Augenzwinkern vernehmen. Für Clooney jedenfalls bildet der Film den Abschluss einer persönlichen Idioten-Trilogie mit den Coens, die ihren Anfang mit O Brother, Where Art Thou?(2000) nahm und mit Ein (un)möglicher Härtefall / Intolerable Cruelty (2003) fortgesetzt wurde.

Die nächsten Projekte der Coens liegen bereits auf dem Tisch bzw. sind in der Vorbereitung – mit A Serious Man widmen sich die Coens ihrer Kindheit in St. Louis Park, Minnesota, danach, so munkelt man, haben sich die beiden Filmemacher Michael Chabons Buch Die Vereinigung jiddischer Polizisten vorgenommen. Das lässt einiges erwarten. Angesichts des enormen Outputs, den Joel und Ethan Coen vorlegen, überwiegt neben der Freude auf die neuen Werke aus der Skurrilitätenschmiede ein klein wenig die Sorge, dass nach dem Gesetz der Serie nun eigentlich mal wieder ein richtig schwacher Film der beiden Brüder fällig wäre. Aber man lässt sich ja gerne vom Gegenteil überzeugen. Zumal dann, wenn die Überzeugungsarbeit so kurzweilig ausfällt wie bei diesem Film.
 

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/burn-after-reading-2008