Der seltsame Fall des Benjamin Button (2008)

Eine Liebe jenseits der Zeiten

Eine Filmkritik von Michael Spiegel / Joachim Kurz

Ein Traum, so alt wie die Menschheit selbst: dem Alterungsprozess ein Schnippchen zu schlagen und im Laufe des Lebens jung zu bleiben oder vielleicht sogar jünger zu werden, statt dem unaufhaltsamen Verfall entgegenzusehen. Doch der vermeintlich paradiesische Zustand hat auch seine Tücken, wie der amerikanische Schriftsteller F. Scott Fitzgerald in seiner 1922 erschienenen Kurzgeschichte The Curious Case of Benjamin Button erzählt. Die wiederum wurde inspiriert von einem Ausspruch Mark Twains, der sagte: "Das Leben würde unendlich viel glücklicher verlaufen, wenn wir mit 80 geboren und uns langsam auf 18 zubewegen würden." Die Geschichte Fitzgeralds galt lange Zeit als unverfilmbar, bis sich David Fincher (Sieben, Zodiac) und der Drehbuchautor Eric Roth, der bereits mit Forrest Gump sein Können unter Beweis stellte, sowie die Produzenten Kathleen Kennedy und Frank Marshall der Sache annahmen. Herausgekommen ist ein dreistündiges Meisterwerk, das sich anschickt, weltweit einer der ganz großen Hits des Kinojahr 2009 zu werden, nachdem der Film bereits in den USA an den Kinokassen abgeräumt hat und gerade für 13 Oscars nominiert wurde.

New Orleans im Sommer des Jahres 2005: Die Stadt ist in gespannter Erwartung des tropischen Wirbelsturms Katrina, der verheerende Verwüstungen mit sich bringen wird. Während viele Menschen fliehen, harrt Caroline (Julia Ormond) am Bett ihrer sterbenden Mutter Daisy (Cate Blanchett) aus und liest auf deren Wunsch aus dem Tagebuch eines
Freundes vor, der Benjamin Button heißt und der, wie sich spät herausstellen wird, Carolines wirklicher Vater ist. Nun endlich erfährt die junge Frau, welche dramatische und höchst seltsame Geschichte sich hinter ihrer Familie und hinter ihrem eigenen Lebens verbirgt. Denn
Benjamin Button (Brad Pitt) kam als Baby im Jahre 1918 mit dem Körper eines 80-jährigen Greises auf die Welt, um im Laufe seines Lebens immer jünger zu werden. Seine zutiefst erschrockene Mutter stirbt beim Anblick ihres Sohnes und sein Vater setzt das seltsame Kind auf den Stufen eines Altenpflegeheimes ab, so dass Benjamin bei der schwarzen Altenpflegerin Queenie (Taraji P. Henson) aufwächst. Als er sieben Jahre alt ist, trifft er auf die gleichaltrige Daisy (Elle Fanning, den Part der erwachsenen Daisy übernimmt Cate Blanchett), eine Begegnung, die sein Leben verändern wird. Doch die Liebe des ungleichen Paares steht aufgrund des völlig unterschiedlichen äußeren Alters und des umgekehrten Alterungsprozesses von Benjamin unter keinem günstigen Stern. Immer wieder verlieren sich beide aus den Augen und treffen erneut aufeinander. Wird sie das Schicksal doch noch zueinander finden lassen?

Der seltsame Fall des Benjamin Button / The Curious Case of Benjamin Button ist ein zutiefst beeindruckender, berührender Film, der tief eintaucht in die Lebensgeschichte einer ungewöhnlichen Liebe und eines turbulenten Jahrhunderts. Ein wahrhaft großer Film über die wichtigsten Fragen des menschlichen Lebens als Introperspektive: wie man sein Leben verbringt, den ersten Kuss und die dadurch auslösende Sehnsucht der Liebe, dass man keine Zeit zu verschwenden hat, dass das Leben kurz ist, Hoffnung auf innere Ruhe und Weisheit im Leben irgendwann besteht, die Bedeutung der Melancholie, der Einsamkeit und des Schicksals, die ständige Unruhe als Suche nach etwas, die Erkenntnis, dass eben nichts ewig währt, dass man manches aber auch niemals vergisst ...

Beeindruckend sind besonders auch die beiden Hauptdarsteller Cate Blanchett und Brad Pitt. Ob im hohen Alter, als Mann in den besten Jahren oder als Twen mit deutlicher Marlon Brando Attitüde – Brad Pitt ist in jeder Szene überzeugend, sexy und ungeheuer charismatisch. Wieder einmal zeigt sich, dass David Fincher und Brad Pitt, die bereits Sieben und Fight Club gemeinsam realisierten, eine bestens funktionierendes Team sind, welches viele verschiedene Genres beherrscht.

Auch wenn der Zuschauer von Anfang an weiß, dass die Liebe zwischen Daisy und Benjamin aufgrund der besonderen Umstände kaum gut ausgehen kann: Die Vielzahl an Puzzlestücken, Epochen, historischen Miniaturen und Querverweisen machen aus dem Film nicht nur ein großes Liebesdrama, sondern auch einen anregenden Ausgangspunkt für Überlegungen über Zeit und Vergänglichkeit, über die Liebe, das Schicksal und die Launenhaftigkeit des Glücks.
 

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/der-seltsame-fall-des-benjamin-button-2008