Löwenkäfig

Hinter Gittern

Eine Filmkritik von Verena Schmöller

Julia wacht auf, stellt sich unter die Dusche und wäscht sich nichtsahnend die Spuren der vergangenen Nacht vom Körper. Wie wohl jeden Morgen geht sie zur Arbeit. Sie entdeckt eine blutige Wunde am Hals, scheint sich aber nichts dabei zu denken. Als sie am Abend nach Hause kommt, wird sie schlagartig in die Ereignisse der vorherigen Nacht hineingezogen: Die Wohnung gleicht einem Schlachtfeld, überall Blut, auf dem Boden die beiden bewegungslosen Körper ihrer Mitbewohner. Nahuel ist tot, Ramuel lebt noch. Und Julia will sich an nichts mehr erinnern.
Mit Leonera zeichnet Pablo Trapero das berührende Portrait einer Frau, die in einen Strudel von Ereignissen gerät. Als Hauptschuldige des Mords an Nahuel wird sie inhaftiert und, da schwanger, in die Sektion für Mütter und Schwangere gebracht. Dort erlebt sie – neben der Autorität der Wärterinnen – vor allem Solidarität, Freundschaft und Liebe. "Ich bin nicht allein", wird ihr nach Monaten ihres Gefangenendaseins bewusst, ein Gefühl, das sie aus ihrem Leben dort draußen nicht kennt. Zellennachbarin Marta kümmert sich fürsorglich um den Neuankömmling, hilft ihr, die Regeln des Gefängnisalltags zu erlernen, ihre Schwangerschaft zu akzeptieren und das Neugeborene zu versorgen. Aber es dauert nicht lange, und Julias Mutter taucht auf: Sie besorgt einen Anwalt, der Mordfall wird vors Gericht gebracht, vor allem aber geht es um Julias Sohn Tomás, der außerhalb des Gefängnisses – und damit weit weg von Julia – aufwachsen soll. Für Julia beginnt ein Kampf um Gerechtigkeit, Wahrheit und um ihren Sohn.

Durch das eindrückliche Spiel von Martina Gusman (Julia) ebenso wie intime Nahaufnahmen gelingt Trapero eine stark subjektive Perspektive auf die Ereignisse. Der Regisseur, der zum Mitbegründer einer argentinischen Neuen Welle um die Jahrtausendwende zählt, lässt sein Publikum nachfühlen, was Julia in den Mauern des Gefängnisses, im Gerichtssaal und in den durch ein Gitter getrennten Gesprächen mit Mutter, Anwalt und Ex-Freund erlebt. So aussichtslos die Situation jedoch sein mag, der Film lässt einen ebenso und ständig Hoffnung fühlen – Hoffnung auf eine am Ende siegende Gerechtigkeit, auf die glückliche Wendung, auf ein happy ending. Es ist die Mischung aus Verzweiflung, Enttäuschung und Hoffnung, die den Spannungsbogen bis zum Schluss aufrechterhält und die einem den Film so nahe bringt.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/loewenkaefig