Der Wind zieht seinen Weg

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Die bisherige Erfolgsgeschichte dieses italienischen Dramas und Naturschauspiels begann mit Aufführungen auf einigen Internationalen Filmfestivals, wo Der Wind zieht seinen Weg bei Publikum wie Kritikern gleichermaßen für Furore sorgte. Der öffentlichen Beachtung folgte der Weg in ein Independent Kino in Mailand, und die Kunde von diesem cineastischen Kleinod verbreitete sich mit der Zeit und bescherte der Low-Budget-Produktion eine ansehnliche, begeisterte Zuschauerschaft in Italien und darüber hinaus. Nun kommt die mehrfach ausgezeichnete Geschichte von Georgio Diritti, der auch das Drehbuch mit verfasste, in der okzitanisch-italienisch-französischen Originalfassung mit deutschen Untertiteln bei uns in die Kinos.
Da gibt es Alpentäler in Italien, in denen noch das im Lauf der Zeiten kaum veränderte Okzitanisch gesprochen wird, von den meist wenigen und betagten Bewohnern der Dörfer zusammen mit anderen Traditionen als ihre Muttersprache lebendig erhalten. So steht es auch in Chersogno, einem wunderschönen Ort von kargem Lebensstil, der von dem überlebt, was er in der Saison an den wenigen Touristen verdient, die diese temporäre idyllische Abgeschiedenheit noch schätzen. Eines Tages erhält das Dorf unerwartet neue Bewohner, als der ehemalige Lehrer Philippe (Thierry Toscan) mit seiner Familie ein Haus bezieht. Der Aussteiger, der eine Ziegenherde mitführt, hat sich auf die Herstellung von leckerem Käse spezialisiert, was ihm die Anerkennung der Dorfgemeinschaft beschert, die allerdings bald in tief greifende Konflikte umschlägt, denn der frische, doch allzu fremde neue Wind bläst einigen der Alteingesessenen dann doch zu kräftig gegen die vertrauten Traditionen an ...

Der Wind zieht seinen Weg lebt von der beinahe dokumentarischen Authentizität seiner beeindruckenden Bilder und Protagonisten, die Georgio Diritti überwiegend aus den Bewohnern der italienischen Alpendörfer rekrutiert hat, die auch ihre natürliche Wohnumgebung bereitwillig für den Dreh zur Verfügung gestellt haben. Was hier als fiktive Geschichte erscheint, besticht durch die enorme Nähe zu einer Wirklichkeit, die noch Bestand hat, auch wenn ihr Lebensraum zunehmend einen menschlichen Rückzug zu verzeichnen hat. Der Umstand, dass der Film auch in den italienischen Kinos in der mehrsprachigen Originalfassung mit Untertiteln gezeigt wird, spricht einmal mehr für die hier vornehmlich visuelle Faszination des klassischen Themas Tradition versus Neugestaltung, für welches Georgio Diritti eine ebenso stimmige wie bewegende Filmsprache geschaffen hat.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/der-wind-zieht-seinen-weg