Sebastiane

Ein Kultklassiker des „gay cinema“ – erstmals im deutschen Kino

Eine Filmkritik von Red.

Derek Jarmans erster Spielfilm Sebastiane, den der spätere Kult-Regisseur (Caravaggio , The Last of England – Verlorene Utopien, Blue) gemeinsam mit dem Cutter Paul Humfress realisierte, beruht auf der christlichen Legende des Hl. Sebastian. Der Märtyrer, der schnell zu einem der populärsten Heiligen der katholischen Kirche wurde, war ein Wachsoldat unter Diokletian (römischer Kaiser von 284 bis 305 n. Chr.), der eigentlich als äußerst tolerant gegenüber Christen galt. Doch fortwährende Unruhen im auseinander fallenden römischen Reich ließen Diokletian seine Meinung ändern. Und hier beginnt der Film Jarmans: Sebastiane (Leonardo Treviglio) fällt in Ungnade, als er beim Kaiser gegen die Exekution eines christlichen Paares protestiert; zur Strafe wird der Soldat zu einem entlegenen Außenposten des Reiches entsandt. In der Hitze der unwirtlichen Garnison lebt Sebastiane isoliert und wird von seinen Kameraden, die sich die Zeit mit erotisch aufgeladenen Raufereien vertreiben, misstrauisch beäugt.
Als sich der sadistische Hauptmann Severus (Barney James) heimlich in ihn verliebt und der Verbannte sich dem Werben des Offiziers widersetzt, gerät Sebastiane immer mehr in die Opferrolle. Und als er sich dann zum Christentum bekennt, hat seine letzte Stunde geschlagen: Sebastiane wird von seinen eigenen Kameraden auf Geheiß von Severus mit Pfeilen durchbohrt und stirbt den Märtyrertod am Pfahl.

Obwohl Derek Jarmans erster Spielfilm als einer der Kult-Klassiker des erotischen Kinos gilt, war der 1976 gedrehte Film bislang in den deutschen Kinos nicht zu sehen. Bereits bei der Aufführung von Sebastiane beim Filmfestival von Locarno kam es zu wütenden Protesten linker wie auch rechter Institutionen. Ungeachtet des Sturms der Entrüstung gab es aber auch Lehrer und sogar Pfarrer, die den Film ihren Schülern empfahlen, da er die seltene Gelegenheit bot, exquisite lateinische Dialoge zu hören – die offene Homoerotik des Streifens hatten sie offensichtlich entweder ignoriert oder im Namen des Lernerfolgs in Kauf genommen.

Jarman entwickelte hier seine Vorliebe für genau recherchierte historische Stoffe, die ihn später mit Filmen wie Caravaggio oder Edward II. berühmt und nicht nur berüchtigt machen sollte. Bemerkenswert ist auch die Filmmusik: Für den Soundtrack konnte Brian Eno gewonnen werden, der hierfür seinen ersten Score überhaupt komponierte. So kann man also sagen, dass Sebastiane nicht nur der Startpunkt der außergewöhnlichen Karriere Derek Jarmans war, sondern auch die Laufbahn eines anderen großen Künstlers beflügelte.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/sebastiane