Gran Torino

Zweimal Alteisen in Topform

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Dinosaurier und Überlebende aus einer längst vergangenen, aus einer besseren Zeit sind sie alle beide, der Ford Gran Torino Baujahr 1972 ebenso wie sein Besitzer Walt Kowalski (Clint Eastwood). Früher arbeitete Kowalski in einer Automobilfabrik, das war zu Zeiten, als diese noch in ihrer Blüte standen, als noch keine Weltwirtschaftskrise und keine Klimakatastrophe den Glauben der Amerikaner an die Verheißungen der Mobilität erschütterten. Und der Wagen, den er seit dessen Produktion besitzt, ist ein Symbol für diese glorreichen Tage, als die Welt – zumindest in Kowalskis Augen – noch sicher und geordnet war. Seitdem ist viel passiert. Walts Frau ist vor einigen Jahren gestorben, er selbst ist im Ruhestand und auch die Welt um ihn herum hat sich verändert. Sichtbar wird das vor allem an den vielen fremden Gesichtern in der Nachbarschaft, den Latinos, den Afroamerikanern und vor allem den Asiaten, die das früher zutiefst bürgerliche Viertel "erobert" haben. Walt, der früher als GI im Koreakrieg kämpfte, beobachtet die Entwicklung mit spürbarem Widerwillen und wachsender Wut. Und als eines Tages der Nachbarsjunge Thao (Bee Vang) versucht, Walts Gran Torino zu stehlen, fühlt sich der frustrierte Rentner in all seinen Vorurteilen gegen die Asiaten bestätigt.
Erst langsam beginnt Walt die Hintergründe zu verstehen: Thao wurde von einer Gang unter Druck gesetzt, den Wagen zu entwenden. Und seine Familie gehört wie viele Asiaten in der Gegend dem indigenen Hmong-Volk an, das während des Vietnam-Krieges auf Seiten der USA stand. Da die Hmong in vielen Ländern Ostasiens unterdrückt werden, leben viele von ihnen in den USA, auf der Suche nach Freiheit, die sie in Südchina, Laos, Thailand und Vietnam nur selten erfahren. Als Walt die Zusammenhänge begreift und zum ersten Mal seit langem wieder so etwas wie Zuneigung und familiären Zusammenhalt erlebt – mit seinen eigenen Söhne hat er kaum mehr Kontakt –, beginnt er sich zaghaft zu öffnen. Eine Freundschaft entsteht, die Kowalskis Weltbild auf den Kopf stellt.

Auch wenn Walt Kowalskis Sinneswandel am Ende dann doch ein wenig schnell geht: Clint Eastwoods neuer Film Gran Torino ist wieder einmal ein handwerklich perfekt gemachter, liebenswert altmodischer und schauspielerisch beeindruckender Film, der unaufgeregt und mit Sinn für Details eine alltägliche Geschichte aus den USA erzählt und die dahinter liegenden Verletzungen seiner Protagonisten offen legt. Neben den beiden jungen Darstellern Bee Vang und Ahney Her, die durchaus neben dem alten Hollywood-Haudegen bestehen können, ist es vor allem Eastwood selbst, der in seiner Rolle als Walt Kowalski fasziniert: Wie hinter seinen heruntergezogenen Augenbrauen und dem finsteren Blick die Enttäuschungen, die Frustrationen und die Gespenster der Vergangenheit lodern, wie die Fassade des schroffen Raubeins langsam bröckelt und die weichen Seiten, den Wunsch nach Liebe sichtbar werden lässt, das ist bis auf wenige Ausnahmen allerfeinste Schauspielkunst – zumeist unprätentiös und höchst effektiv vorgetragen.

Doch Gran Torino ist nicht nur Eastwoods bislang erfolgreichster Film – am Startwochenende spielte der Film knapp 30 Mio. Dollar ein –, er markiert auch einen Abschied: Wie Clint Eastwood bekannt gab, war dies seine letzte Rolle auf der Leinwand und damit das Ende einer langen Schauspielkarriere. Bei weiteren Projekten wird der Mann, der "Dirty Harry" war, nur noch auf dem Regiestuhl Platz nehmen. Und wir hoffen, dass wir seinen Namen noch lange auf der Leinwand lesen dürfen. Denn wie der Titel gebende Wagen hat auch Eastwood noch jede Menge Power zu bieten.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/gran-torino