El baño del Papa – Das große Geschäft

Hoffnungsträger Toilette

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Wer kennt es nicht, das drängende, existentielle Bedürfnis, sich auch und gerade bei Massenveranstaltungen an einem angemessenen, geschützten Ort zu erleichtern, wenn die Ausscheidungsorgane Alarm drücken. Aus der Kombination dieser allzu menschlichen Notwendigkeit mit dem großen Ereignis eines Papst-Besuchs – Johannes Paul II. hat übrigens tatsächlich damals diese Region bereist – ist die Idee zu diesem urigen Spielfilm aus Uruguay entstanden, dessen Titel El baño del Papa – Das große Geschäft / El baño del Papa bereits die Schelmenhaftigkeit transportiert, die in der gesamten Dramaturgie verankert ist.
Für gewaltige Aufregung bei den Bewohnern sorgt in der unspektakulären Kleinstadt Melo in Uruguay nahe der brasilianischen Grenze die Kunde, dass Papst Johannes Paul II. auf seiner Südamerikareise auch ihren schlichten Ort beehren wird. Diese Euphorie ist keinesfalls nur religiöser Natur, denn dieser Besuch bedeutet auch Ströme von Touristen und stellt damit einen erheblichen wirtschaftlichen Faktor für das verarmte Städtchen dar. Neben den üblichen geschäftlichen Projekten wie Speis und Trank verfällt der kleine Grenz-Schmuggler Beto (César Troncoso), der mit seiner Frau Carmen (Virginia Méndez) und seiner jugendlichen Tochter Silvia (Virginia Ruiz) eine recht erbärmliche Existenz fristet, dem Einfall, ergänzend dazu mit der Vermietung einer luxuriösen Toilette das ganz große Geld zu machen – allerdings muss der Leih-Lokus erst noch gebaut werden.

Die Errichtung des komfortabel geplanten Klos erweist sich als Mammut-Projekt, bei dem hinter jedem allmählichen Fortschritt bereits das endgültige Scheitern lauert – eine wunderschöne Allegorie auf manch sozialpolitische Verhältnisse oder schlicht auf die Unwegsamkeit des Daseins. Während sich die Vorbereitungen für den Papst-Besuch umtriebig zuspitzen, entwickeln sich bei Beto zu Hause noch ganz andere Schwierigkeiten: Seine Tochter Silvia empfindet die Perspektivlosigkeit gerade für junge Leute in Melo als zunehmend unerträglich und plant, das öde Städtchen und damit ihre Familie zu verlassen, um zu studieren und damit an einem anderen, günstigeren Ort ihr Glück zu versuchen, was ihren völlig auf das große Geschäft konzentrierten Vater in eine weitere Krise stürzt.

El baño del Papa – Das große Geschäft / El baño del Papa, der hierzulande in den Kinos in der spanischen Originalfassung mit deutschen Untertiteln zu sehen sein wird, wurde beim Filmfestival in Cannes 2007 uraufgeführt und dort mit dem Grand Prix der Sektion Cine en Construcción prämiert, dem noch einige weitere Auszeichnungen auf internationalen Filmfestivals folgten. Auch wenn dies bei den thematischen Zusammenhängen zu vermuten wäre, ist dieser Film gerade keine überspitzte Zote über das Territorium der Fäkalien, sondern eine ebenso komisch wie liebevoll inszenierte Geschichte über das mühsame Überleben der kleinen Leute in Uruguay, die ihre erfinderischen und improvisatorischen Kräfte in Bewegung setzen, um das bestmögliche aus einer einmaligen Chance zu machen, auf die sich all ihre Sehnsüchte nach einem besseren, würdigen Leben richten. Auch wenn der Zuschauer ahnt, dass diese glorifizierte Chance kaum die als gewaltig erwarteten Veränderungen mit sich bringen wird, ist es doch der agile Mut dieser Menschen, nichts unversucht zu lassen, der bei diesem Film besonders berührt.

Enrique Fernández, der gemeinsam mit seinem Co-Regisseur César Charlone auch das Drehbuch zu El baño del Papa – Das große Geschäft / El baño del Papa verfasste, stammt aus dem tatsächlichen Ort Melo und hat mit der Geschichte genau jene Typen seiner Kindheit authentisch porträtiert, deren unnachahmliche, unerschütterliche Art ihn seit jeher faszinierte – eine gute Entscheidung, für sein Spielfilmdebüt auf einen Stoff zu referieren, mit dem er sich bestens auskennt, was die Stimmigkeit und der Charme der Charaktere ansprechend zum Ausdruck bringen. César Charlone hingegen ist als Filmemacher bereits ein erfahrener Experte, der beispielsweise die Kamera bei City of God / Cidade de Deus (2002), Der ewige Gärtner / The Constant Gardener (2005) und Die Stadt der Blinden / Blindness (2008) des brasilianischen Regisseurs Fernando Meirelles geführt hat. Mit einer bestens funktionierenden Mischung aus Laiendarstellern aus Melo und wenigen professionellen Schauspielern aus dem Theaterbereich gelingt dem Gespann ein außergewöhnlicher Film mit einer angenehmen Balance aus Ernsthaftigkeit und Witz, der niemals den Respekt vor seinen Figuren verliert.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/el-bano-del-papa-das-grosse-geschaeft