Louise Hires a Contract Killer

Die Genossen und die Bosse

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Bei all dem, was man in den letzten Wochen und Monaten von Streiks, Fabrikbesetzungen und Manager-Napping vor allem in Frankreich gehört und gelesen hat, ist dieser Film von der Realität im krisengeschüttelten Europa gar nicht so weit weg. Louise Hires a Contract Killer karikiert mit bitterbösem Strich sowie viel Lust an der Hässlichkeit und der Übertreibung eine Parabel auf die entfesselte Wirtschaft und die (Ohn)Macht der sogenannten kleinen Leute.
Die Picardie im Norden Frankreichs zählt zu den Armenhäusern der Grande Nation. Hier liegt die Arbeitslosigkeit höher als in vielen anderen Departments, während die Menschen in der Picardie weniger verdienen als im Landesdurchschnitt. Kein Wunder also, dass die Arbeiter stinksauer auf ihren Boss sind, der sie und die Fabrik einfach im Stich gelassen hat, nachdem er am Abend zuvor noch munter Geschenke an die Arbeiter verteilt hatte. Nun ist die Fabrik leer geräumt, die Maschinen sind nach Asien verscheuert worden und die Arbeiter stehen vor den Trümmern ihrer sowieso nicht gerade rosigen Existenz. Mit der geradezu lächerlichen Abfindung wollen sich die transsexuelle Louise (Yolande Moreau) und ihre Kollegen nicht abfinden. So beschließen sie, den Schuft ausfindig zu machen und mit Hilfe eines gedungenen Mörders ins Jenseits zu befördern. Allerdings ist der für diesen Job auserkorene Michel (Bouli Lanners, Eldorado) nicht gerade das, was man einen Profikiller nennt – auch wenn er anderes behauptet. Und zudem ist es gar nicht so leicht, den Chef ausfindig zu machen. Denn der hat sich längst abgesetzt...

In ihrem nunmehr dritten Film führen Gustave Kervern und Benoît Delépine (Aaltra; 2004 und Avida; 2006) ihr Publikum abermals an die Ränder die Gesellschaft. Ging es in den beiden vorangegangenen Filmen um Behinderte und Drogenabhängige, sind es nun Arbeitslosigkeit und der drohende Abstieg in die Verelendung, die den traurigen Antihelden hier drohen. Ohne Kitsch und Sozialromantik, aber mit viel schwarzem Humor und großer Sympathie für die durchweg wenig attraktiven Helden passt ihr Film in die derzeitige Finanzkrise wie kaum ein zweiter. Man muss den beiden schon beiden Regisseuren und Drehbuchautoren schon beinahe prophetische Qualitäten bescheinigen. Denn zum Zeitpunkt der Realisierung dieser grellen Farce um einen Arbeitskampf, der völlig aus dem Ruder läuft, dürften die Auswirkungen der Wirtschaftskrise in dieser Deutlichkeit noch nicht festgestanden haben. Vielleicht aber haben sie auch nur einen Trend in der Arbeitswelt aufgegriffen, den es schon seit langem zu beobachten gibt und der nur jetzt durch die Ereignisse der vergangenen Monaten in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt ist. Schön, dass man den andauernden Horrornachrichten mit so viel Frechheit und Bissigkeit begegnen kann.

Zugegeben, die Minimalmimik und -gestik der Akteure, der schleppende Sprachduktus und die sehr sprunghafte Anordnung der Szenen erwecken den Eindruck, als habe das gesamte Team während der Dreharbeiten bereits morgens zum Frühstück Valium-Tabletten genascht. Diese Tristesse und die sichtliche Verlangsamung wird aber mehr als aufgewogen von einer sehr durchgeknallten Story, die sich wenig um Wahrscheinlichkeiten und Plausibilität schert, sondern ungehemmt sämtliche Aberwitzigkeiten ungeniert ausprobiert.

Der Originaltitel Louise-Michel verweist übrigens auf die französische Autorin und Anarchistin Louise Michel, die aktiv an der Pariser Kommune beteiligt war und die zu einem Attentat an Napoléon III. aufrief, um, wie sie sagte, "Tausende von Menschenleben zu retten". Der anarchische Geist dieser Frau ist dem Film auch deutlich anzumerken und eine kleine Widmung macht deutlich, dass es Kervern und Delépine bei allem Aberwitz durchaus ernst meinen mit ihrer Kritik an Turbokapitalismus und dem Zynismus einiger Unternehmensführer. Auch wenn die Rache der Arbeiter definitiv nichts für Nachahmer ist.

Eines ist sicher: Louise Hires a Contract Killer wird nicht jedem Kinozuschauer gefallen und manchen Besucher sogar eher abschrecken. Dazu ist der Stil zu eigenwillig, das Budget dieser Independent-Produktion zu klein und die Lust an der Übertreibung zu deutlich. Wer allerdings Grotesken im Stile eines Aki Kaurismäki (an den erinnert nicht nur der Titel, der sich auf I Hired a Contract Killer aus dem Jahre 1990 bezieht) und treffsicher geschriebenen Trash mit einer gehörigen Portion an Bösartigkeit zu schätzen weiß, der dürfte an diesem Film unendlich viel Spaß haben. Und darum geht es – Krise hin, Verzweiflung her – ja auch in Zeiten wie diesen.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/louise-hires-a-contract-killer