Der Knochenmann

Totentanz mit Backhendl

Eine Filmkritik von Joachim Kurz und Michael Spiegel

Jetzt ist also noch mal was passiert. Denn der Murnberger, der Haas und der Hader können’s einfach nicht lassen – Serientäter quasi. Und gäbe es nicht bereits eine Band mit Namen "Neigungsgruppe Sex, Gewalt und gute Laune" (die natürlich aus der Alpenrepublik kommt) – diese drei netten Spinner würden diesem Titel alle Ehre machen. Vergesst Komm, süßer Tod und Silentium, ihr Leut – denn mit Der Knochenmann wird der berühmt-berüchtigte österreichische Humor der schwärzesten Sorte in Dimensionen gesteigert, wie man es auch nicht ansatzweise vermutet hätte.
Der neueste Streich des dynamischen Trios (während Wolfgang Murnberger Regie führte, besorgte Wolf Haas mal wieder die literarische Vorlage, arbeitete am Drehbuch mit und hat womöglich den schlitzohrigsten Cameo-Auftritt der Filmgeschichte, Josef Hader dagegen gibt mal wieder den verknitterten, oftmals glücklos-agierenden Privatschnüffler namens Simon Brenner, der ihm immer mehr zur zweiten Haut wird) ist ein großes Highlight für alle Kinogänger, die es tief-schwarzhumorig und auch ein wenig abseitig mögen. Machen die Österreicher vielleicht doch die besten deutschsprachigen Filme?

Lust auf Arbeit hat der Brenner auch nach seinem letzten Abenteuer immer noch nicht wirklich. Aber von irgendwas muss man ja leben. Da trifft es sich gut, dass der Berti (Simon Schwarz) mittlerweile ein Inkasso-Unternehmen betreibt. Brenners Aufgabe ist es, den säumigen Leasingnehmern von Autos entweder die fälligen Rate oder den Autoschlüssel aus der Tasche zu ziehen. Die Suche nach dem Schuldner Horvath treibt Brenner ins Steirische, zum Gasthof Löschenkohl, wo der Horvath zuletzt gesichtet worden war. Die Gastwirtschaft ist weithin bekannt für ihre famosen Backhendln, so dass im Keller des Anwesens Tag und Nacht eine riesige Knochenmühle die sterblichen Überreste des gemeuchelten und verspeisten Federviehs zu Knochenmehl verarbeitet. Doch beim Löschenkohl wollen weder der Wirt (Josef Bierbichler – grandios!), dessen Sohn (Christoph Luser) noch dessen Gattin (Birgit Minichmayer) Auskunft geben über den Verbleib des Gesuchten. Trotzdem findet sich schnell eine Verwendung für den Brenner – Zweitjob quasi. Der unzufriedene Juniorchef will endlich wissen, warum sein Vater den florierenden Gasthof an den Rand des Ruins treibt, indem er Geld auf die Seite schafft. Unversehens befindet sich Brenner in der schönsten Zwickmühle, denn er gerät nicht nur zwischen alle Stühle und in die Arme von der Schwiegertochter Löschenkohls, sondern beinahe auch ins Räderwerk der Knochenmühle …

Wolf Haas’ Privatdetektiv Brenner ist ja kein Mann der vielen Worte. Und so strich dessen Darsteller, der begnadete Kabarettist Josef Hader, nach eigener Auskunft erstmal rund die Hälfte seines Textes zusammen – ob aus Faulheit oder um den Film zu straffen, darüber kann man trefflich spekulieren. Im Gegensatz zu dem Löschenkohlschen Federvieh aber zeigt sich der Film schlank und ohne jedes Gramm Fett. Auch wenn der Erzähler anfangs darauf insistiert, dass die nun folgenden Verwicklungen nicht der Gier oder dem Sex, sondern allein der Liebe geschuldet seien – Der Knochenmann zeigt das komplette Panoptikum menschlicher Leidenschaften und Niedrigkeiten derart gekonnt, bissig und gespickt mit grimmigem Humor, dass man aus dem Lachen, dem Staunen und dem Entsetzen gar nicht mehr herauskommt. Und Brenner ist ein solch sympathischer Loser, dass man sich nichts sehnlicher wünscht, als baldigst möglich weitere Verfilmungen der restlichen Haas-Romane mit Simon Brenner. Drei Romane aus der Brenner-Serie gäbe es theoretisch noch – aber vielleicht soll man aufhören, wenn’s am schönsten ist. Nein, sollte man nicht.

Erfreulich auch, wie locker Murnberger, Haas und Hader lediglich Motive und einzelne Elemente der literarischen Vorlage übernehmen und daraus etwas vollkommen Neues formen, das trotzdem in jeder Szene, jeder Einstellung den lässig-makaber-morbiden Ösi-Charme der Romane atmet. Familiäre Händel und gebackene Hendl, Kulinarisches und Kannibalistisches, Blut und Schnee, die treibenden Beats der fulminanten Sofa Surfers und Haders immer leicht verkatert und dementsprechend verlangsamt wirkendes Gesicht, Liebe, Triebe und Hiebe – die Mixtur ist krude, gewagt und gelungen. Mit schönen Grüßen an den Quentin, den Joel und den Ethan: Der Knochenmann ist schwerstens kultverdächtig. Oder auch einfach: Leiwand, Oida!

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/der-knochenmann