Eine Perle Ewigkeit

Ein Gesicht, das man nie vergisst

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Claudia Llosas Film Eine Perle Ewigkeit / La teta asustada erzählt die Geschichte von Fausta (Magaly Solier), einer jungen Frau, deren schwangere Mutter während des peruanischen Bürgerkrieges vergewaltigt wurde. Nach dem Glauben vieler Peruaner pflanzt sich mit der Vergewaltigung auch das Trauma in die nächste Generation fort und wird den Kindern mit der Muttermilch, eben jener "Milch des Kummers", weitergegeben. Außerdem, so glaubt man weiter, leiden diese Kinder unter verschiedensten Beschwerden, die sich mit der normalen Schulmedizin nicht erklären lassen. Auch Fausta weist eine solche Abnormität auf: Wenn sie sich aufregt, bekommt sie Nasenbluten und wird nicht selten ohnmächtig. Der Arzt aber, der sie untersucht, stellt noch etwas viel Erstaunlicheres fest: Aus Angst vor einer Vergewaltigung, die ihr selbst widerfahren könnte, hat Fausta eine Kartoffel als biologischen Schutzschild in ihrer Vagina platziert. Es ist vollkommen klar: Die Angst ist ihr ständiger Begleiter. Und alleine die Lieder, die Fausta immer wieder erfindet und singt, helfen ihr dabei, die Furcht in den Griff zu bekommen.
Als Faustas Mutter stirbt und aufgrund der Armut der Familie kein würdiges Begräbnis erhalten kann, macht sich das Mädchen, von ihrem Onkel unterstützt, daran, sich das nötige Geld für die Beerdigung durch einen Job als Dienstmädchen zu beschaffen. Ihre neue Herrin Aida (Susi Sànchez), eine Pianistin und Komponistin, verspricht dem Dienstmädchen eine Belohnung, wenn sie ihr die Lieder beibringt, die sie immer dann singt, wenn sie sich unbeobachtet glaubt. Doch als Aida bei einem Konzert mit einem der Stücke einen großen Erfolg feiert, will sie sich plötzlich an die Abmachung nicht mehr erinnern…

Leicht macht es einem Claudia Llosa mit ihrer schweren Geschichte über das Trauma des peruanischen Bürgerkriegs nicht. Doch der Film findet immer wieder wunderbare poetische Bilder für das Leid seiner Protagonstin, die man nicht vergisst. Eine Hochzeitsgesellschaft vor einem kitschigen, auf Leinwand gemalten Wasserfall, neben dem links und rechts die blanke Erde und das nackte Elend regiert. Eine Betontreppe, die mitten in der kargen Landschaft steht. Und immer wieder das Gesicht von Magaly Solier, die während der Pressekonferenz bei der Berlinale und hoffentlich weit darüber hinaus zu einem der heimlichen Stars der Berlinale wurde. Ihr Gesicht ist eine Seelenlandschaft, die beeindruckt und Großes für die Zukunft der Schauspielerin erhoffen lässt. Und wenn sie in einer Szene in dem Film von Claudia Llosas Eine Perle Ewigkeit endlich lächelt, dann ist das wie ein Geschenk an einem tristen Herbstmorgen.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/eine-perle-ewigkeit