Affären à la carte

Ménage à dix

Eine Filmkritik von Silvy Pommerenke

Was passiert, wenn zu einem Abendessen eingeladen wird, zu dem eigentlich niemand der Gäste gehen möchte? Es kommt zu subtilen Sticheleien, unschön ausgetragenen Beziehungskonflikten, zu belanglosem Geplänkel und zu unverhofften Begegnungen. Ein netter Abend sieht anders aus, aber die Einweihung einer neuen Designerküche macht dieses gesellschaftliche Ereignis unumgänglich.
Gastgeber dieses kulinarischen Abends sind die Anwältin ML (Karin Viard) und ihr Ehemann Piotr (Dany Boon). Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren, und Piotr, gerade arbeitslos geworden, bereitet wie immer zu solchen Gelegenheiten sein polnisches Leibgericht zu. Allen Anwesenden graust bei der Vorstellung, dies wieder einmal essen zu müssen aber der Wein treibt es runter und langsam werden die Beziehungsgeflechte zwischen den Gästen offenbart. Die Pariser Bourgeoisie hat sich hier an einem Tisch zusammengefunden, an dem Geschäftsbeziehungen vertieft, Liebesbeziehungen aufgefrischt und Hassbeziehungen ausgelebt werden. Neben dem Ärzteehepaar Mélanie (Marina Foïs) und Alain (Patrick Bruel), von dem der eine nicht weiß, dass die andere eine Affaire mit einem Jockey hat, erscheint der Jurist Lucas (Christopher Thompson), der gar nicht erfreut ist, als seine Gattin Sarah (Emmanuelle Seigner) doch noch erscheint und mit peinlichen Geschichten aus ihrer Psychotherapie die Anwesenden zu schocken versteht. Juliette (Marina Hands), die Schwester von ML, bringt ihren doppelt so alten Lebensgefährten Erwann (Patrick Chesnais) mit, und sie wollen mit ihrem klapprigen Käfer Cabriolet nicht so recht in diese elitäre Runde passen. Als sie erfährt, dass auch ihr Vater Henri (Pierre Arditi) anwesend sein wird, dreht sie fast durch, und nur das geduldige Zureden Erwanns hilft, Schlimmeres zu vermeiden. Die spontan eingeladene Flamencolehrerin Manuela (Blanca Li) scheint von den Animositäten um sich herum nichts mitzubekommen und der Tischler der Küche, Jean-Louis (Laurent Stocker), schreibt heimlich unter dem Esstisch erotische Kurzmitteilungen an seine ehemalige Geliebte ML, die diese stoisch ignoriert. Der Abend endet schließlich mit den wehmütigen Erinnerungen von Erwann und Henri, die ihrer eigenen Jugend hinterhertrauern und dem Versprechen aller, bald wiederzukommen. Ein Jahr später ist es dann so weit, und die Runde findet erneut zusammen. Aber in einem Jahr kann viel geschehen, und die Karten wurden bei den Zehnen der Tafelrunde extrem neu gemischt. Neben gebrochenen Herzen gibt es erfrischte Liebe, durchgestartete Schreibtalente, neues Leben und alte Ideale. Die einzige, die sich in diesem Jahr nicht verändert zu haben scheint, ist die Designerküche ...

Affären à la carte unter der Regie von Danièle Thompson ist eine kurzweilige Komödie, die das Who is Who des französischen Kinos zusammengeführt hat. Selbstredend fällt bei sozialkritischen Gesellschaftsfilmen – und als solcher versteht sich Affären à la carte - das Stichwort Claude Chabrol. Danièle Thompson mag sich auch in einigen Punkten an ihm orientiert haben, aber in seiner Ganzheit ist "Le code a changé", so der Originaltitel dieser Komödie, wenig überzeugend. Die Demaskierung der einzelnen Figuren und die Offenbarung derer Abgründe findet einerseits mit einem zu großen Augenzwinkern statt und andererseits wird durch die Querschnittslähmung Mélanies und der Krebserkrankung Manuelas eine zu große Schwere hineingebracht. Von beidem etwas weniger und eine Reduzierung der viel zu häufig eingesetzten Klischees hätten dem Film gut getan. Ebenso, wie die Fragmentierung der Handlung stellenweise zur Verwirrung führt, ist der Bruch zwischen den beiden Erzählzeiten bzw. zwischen den beiden Dînérs zu krass geraten. Unvermittelt befindet sich der Zuschauer am selben Küchentisch ein Jahr später wieder, starrt auf den Rollstuhl Mélanies und die durch die Chemotherapie kurzen Haare Manuelas und findet sich nur langsam zurecht in der neuen Welt der Ménage à dix. Die Absicht, die Danièle Thompson und ihr Sohn Christopher bei Affären à la carte verfolgten, nämlich aufzuzeigen, "dass es oft nur den Bruchteil einer Sekunde bedarf [...] die aber später unser Leben beeinflusst", hätten sie effektiver – auch in einer Komödie – umsetzen können.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/affaeren-a-la-carte