Grüße aus Kaschmir

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Dienstag, 17. März 2009, arte, 23:10 Uhr
Mit dem Adolf-Grimme-Preis wurde dieses Fernsehspiel von 2004 ausgezeichnet, das sich vor dem Hintergrund einer interkulturellen Liebesgeschichte mit dem Thema Terrorismus beschäftigt. Der mehrfach ausgezeichnete Regisseur Miguel Alexandre (Der Pakt – Wenn Kinder töten, 1996, Macht, 1998, Die Frau vom Checkpoint Charlie, 2007), der ursprünglich aus Portugal stammt, richtet dabei den Fokus sehr sorgfältig auf die Motivationen seiner Figuren, die vielschichtig in ihrer zutiefst menschlichen Dimension gezeichnet werden, ohne dass ihre gewaltige Schuld in Frage gestellt wird.

Die junge Lisa (Bernadette Heerwagen) zieht aus einer ländlichen Region ins urbane München, um ihr Leben einmal ganz anders anzugehen. Zunächst noch von der Metropole euphorisiert, stürzt sie sich auch rasch in ein erotisches Abenteuer, als sie in einem Club dem anziehenden Ingenieur Sharif (René Ifrah) begegnet, der aus Kaschmir stammt und als Flüchtling nach Deutschland kam, wo er nun lebt und arbeitet. Wie fremd sich das frische Liebespaar im Grunde noch ist, wird bald deutlich, und zu der persönlichen Fremdheit gesellt sich zunehmend noch die kulturelle Komponente. Lisa stellt schon nach einer kleinen Weile fest, dass sie ein Kind erwartet, was sie jedoch vor Sharif geheim hält, aber zwischen den beiden erfolgt allmählich eine durchaus tragfähig erscheinende Annährung. Mit dem unvermittelten Auftauchen von Sharifs Bruder Tajjab (Murat Yilmaz) aus Kaschmir allerdings verändert sich die zarte Beziehung drastisch, denn dieser wird als Mitglied einer terroristischen Vereinigung international gesucht, und zudem setzt er alles daran, Sharif für seine gewalttätigen Pläne zu gewinnen, wissend und nutzend, dass sein Bruder in seiner Schuld steht ...

Grüße aus Kaschmir bezieht seine Intensität und Tragik aus der Zerrissenheit zwischen den persönlichen und politisch-historischen Bindungen der Protagonisten, die in äußerst komplexe Entscheidungssituationen gedrängt werden. Dabei lässt Miguel Alexandre seinen Figuren zwar ausreichend Raum, sich reflektiert zu bewegen, doch letztlich repräsentieren ihre Gefangenheiten in den früh erlernten Mustern ihrer Lebensgeschichten, die innerhalb höchst brisanter Gegebenheiten an die Oberfläche drängen, wie schwierig es ist, auch irrationalen und inhumanen Tendenzen nachhaltig zu widerstehen, um ein selbst bestimmtes, gutes Leben zu führen. Ein leiser wie spannender Film über den Lärm des Terrors, der ebenso in den Köpfen der Akteure tobt.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/gruesse-aus-kaschmir