Hachiko - Eine wunderbare Freundschaft (2009)

Hund sucht Herrn

Eine Filmkritik von Peter Gutting

Können Tierfilme realistisch sein? Sie könnten, aber die meisten sind es nicht. Lassie, Flipper, sie alle rühren tief ans Herz. Sie sind so süß, so treu, so putzig – eben so wie Hachi, der Hauptdarsteller in Lasse Hallströms Tierdrama, bei dem man die Taschentücher keinesfalls vergessen darf. Ein Film zur Vorweihnachtszeit, der einmal eine richtig heile Welt und eine traumhaft glückliche Familie zeigt.

Es passiert eigentlich nicht viel in dieser zuckersüß überpuderten amerikanischen Kleinstadt. Professor Parker Wilson (Richard Gere) findet eines Abends auf dem Bahnhof einen unglaublich niedlichen Hundewelpen. Oder besser gesagt: Das junge Ding findet ihn. Es wählt ihn aus, himmelt ihn an, verfällt sozusagen blitzartig in einen Liebeswahn mit lebenslanger Treue-Garantie. Parkers Ehefrau Cate (Joan Allen) hat zwar einiges einzuwenden gegen diesen Wuschel mit den herzzerreißenden Augen. Aber ihr anfänglicher Widerstand ist nicht von langer Dauer – so wie auch alle anderen Problemchen sich im Nu in Luft auflösen und Platz schaffen für eine gigantische Wohlfühl-Orgie.

Was dann geschieht, würde ein bekennender Hunde-Skeptiker kaum glauben. Wüsste er nicht, dass das Drehbuch auf einer wahren Begebenheit beruht. Im Tokio der 1920er Jahre gab es tatsächlich einen Hund aus der altehrwürdigen Akito-Rasse, der sein Herrchen, ebenfalls einen Professor, jeden Abend stets zur gleichen Zeit vom Bahnhof abholte. Als der Gelehrte an einem Herzinfarkt im Hörsaal starb, konnte sich der Hund nicht damit abfinden. Er kehrte jeden Abend wieder zum Bahnhof zurück und wartete. Er wartete zehn Jahre lang, dann starb er. Die Bewohner des Städtchens waren von seiner Treue so gerührt, dass sie ihm noch zu Lebzeiten ein Bronzedenkmal setzten.

Die Akita-Rassehunde waren Anfang des vorigen Jahrhunderts fast ausgestorben. Sie sind mit einem Spitz zu vergleichen und gelten als intelligente Hunde mit ausgeprägtem Jagd- und Schutztrieb. Ein Akita ist seinem Herrn und seiner Familie treu ergeben, aber er hat auch einen ausgeprägten Eigensinn. "Er apportiert nicht, denn er macht nichts nur aus dem Grund, jemandem zu gefallen", erklärt Parkers Professorenkollege Ken seinem Freund im Film. Wenn Hachiko tatsächlich einmal apportieren sollte, dann nur aus einem bestimmten Grund. Da ahnen wir schon, dass diese Situation bald eintreten wird – mit gravierenden Folgen.

Im Prinzip geht die Geschichte schon aus sich heraus ziemlich ans Herz. Doch Regisseur Lasse Hallström, der mit Chocolat oder Schiffsmeldungen schon bessere Filme gemacht hat, treibt mit vielen kleinen Details die Rührung auf die Spitze. Etwa durch die Szenen mit subjektiver Kamera, in denen wir die Welt aus den Augen des Hundes sehen (in schwarz-weiss). Oder durch die Episoden, in denen das Tier vermenschlicht wird und uns dann verschmitzt oder traurig, eifersüchtig oder als Liebender erscheint. Da bleiben dem Zuschauer eigentlich nur zwei Möglichkeiten: sich hineinfallen lassen und mitschwimmen mit dieser tränenreichen Welle - oder sich dagegen stemmen und die Gefühlsschotten dicht machen.

Welche dieser Möglichkeit man wählt, dürfte wohl von der jeweiligen Tagesform abhängen und davon, wie man zu Hunden steht. Aber wenn es draußen so richtig ungemütlich ist und man etwas zum Herzerwärmen sucht, dann könnte Hachiko – Eine wunderbare Freundschaft / Hachiko – A Dog’s Tale ein plüschiges Kuschelkissen sein.
 

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/hachiko-eine-wunderbare-freundschaft-2009