Schreibe mir – Postkarten nach Copacabana

Ethnomärchen eingehüllt in spirituelles Mysterium

Eine Filmkritik von Silvy Pommerenke

Während Jesus auf dem Wasser gehen konnte, so ging Alois, der Großvater der 14-jährigen Alfonsina, unter Wasser. Und sein Weg war weit, denn er führte ihn aus der bayrischen Idylle geradewegs nach Copacabana, einem Ort in den Anden. Dort traf er auf Rosa, die Liebe seines Lebens, die später mit Schwiegertochter und Enkelin in einer Dreiergemeinschaft lebt, in der es Männer schwer haben, Zutritt zu erlangen – auch wenn sich alle nach ihnen sehnen.
Das Leben von Alfonsina (Júlia Hernández) entspricht eigentlich einem typisch europäischen Teenagerdasein. Sie träumt von Jungs, sammelt Postkarten aus der ganzen Welt und trifft sich stundenlang mit ihrer besten Freundin Tere (Camilla Guzmán), um mit ihr Pläne zu schmieden, aus dem kleinen Kaff Copacabana am Titicacasee zu entfliehen. Wenn sie nur nicht ohne Vater aufwachsen würde, der als Pilot bei einem tragischen Flugzeugunglück sein Leben verlor. Seitdem lebt sie mit ihrer Mutter Rosa (Carla Ortiz) und ihrer Großmutter Elena (Agar Delos) in einer generationenübergreifenden Wohnung zusammen, die von den beiden alten Damen der gegenüberliegenden Apotheke kritisch beäugt wird. Als dann unvermutet Daniel (Friedrich Mücke), ein Münchner Ornithologie-Student, im Dorf auftaucht, da ist es schnell um Alfonsinas Herz geschehen. Sein häufig benutzter Ausspruch "pascht scho" erinnert sie an ihren Großvater und fast lebt sie die Geschichte ihrer Großmutter nach. Aber wie heißt es so schön: Love is a losing game ...

Wer ein Faible für fiktionale Stoffe hat, die sich zwischen Traum und Wirklichkeit abspielen, die sich auch nicht scheuen, mysthische und spirituelle Dinge zu thematisieren, der wird bei Schreibe mir - Postkarten nach Copacabana voll auf seine Kosten kommen. Vor allem die traumhafte Kulisse von Copacabana – bei der es sich dieses Mal nicht um den Stadtteil von Rio de Janeiro handelt – lädt zum Fernweh ein, das als Kontrapunkt die kitschige Bergwelt Bayerns hat. Seltsamerweise sehen die bayrischen Trachten denen der bolivianischen Einwohner verdammt ähnlich, was Farbe, Form und Muster betrifft. So weit ist also das Bajuwarenland von dem Andenstaat gar nicht entfernt, was die unbeschwerte Reise des Großvaters von Alfonsina erklären mag. Auch die Mythen und Sitten unterscheiden sich nicht sonderlich, denn während die einen ein Gottvertrauen in die katholische Kirche haben, wenden die anderen sich zig verschiedenen Heiligenfiguren zu, die mit Zigarettenqualm (versus Weihrauch) besänftigt werden. Wie gut, dass man die Eigenverantwortlichkeit des Lebens auf solche Heiligtümer abwälzen kann. Die Literaturverfilmung von Stefanie Kremsers Roman Postkarten nach Copacabana ist ein kulturelles Gebräu von bayrischen Germknödeln und bolivianischen Traditionen. Dass das trotz allem zusammen passt, beweist der Regisseur Thomas Kronthaler in diesem leichten und verträumten Film. Tradition trifft auf Moderne, Traum auf Realität und Bayern auf Bolivien.

Trotz Teilschwächen – beispielsweise dem unglaubwürdig erscheinenden Techtelmechtel zwischen der vierzehnjährigen Alfonsina und dem Twentysomething Daniel – ist Schreibe mir - Postkarten nach Copacabana ein Film für romantische Seelen, deren Geldbeutel zu klein ist, um Fernreisen zu machen, und für fantasievolle Geister, die daran glauben, dass man unter Wasser gehen und nach dem Tod weiterleben kann. Nur die Liebe kommt nicht gut weg bei diesem Film, denn die Einzige, die Glück darin hatte, war die Großmutter Alfonsinas, aber auch hier wurde durch den Tod von Alois all zu früh ein Ende herbeigeführt. Die anderen Frauen hingegen erfahren lediglich Zurückweisung und ein doppeltes Spiel in der vermutlich schönsten Sache der Welt. Romantik mit Abstrichen, Fantasie mit Herz!

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/schreibe-mir-postkarten-nach-copacabana